KOMMENTAR
Tausende Demonstranten in Düsseldorf und Berlin: DAS ist das Volk
Manchmal fühlt es sich an, als werde in Berlin und Bayern nur noch Wahlkampf für potenzielle AfD-Wähler gemacht. Die Demo-Zahlen vom Samstag zeigen: Wir sind auch noch da. Warum hört uns niemand?
Matthias Schwarzer | nw.de
Laut, bunt und groß: In mehreren deutschen Großstädten sind am Samstag tausende Menschen auf die Straße gegangen. In Düsseldorf demonstrierten rund 10.000 gegen das geplante NRW-Polizeigesetz. In Berlin forderten rund 12.000 Demonstranten ein Ende der Kriminalisierung von Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer. Hunderte weitere demonstrierten in Ulm, Heidelberg und München.
Es ist wichtig, diese Zahlen zu nennen - und sie immer wieder zu wiederholen. Es ist wichtig für die Politik, und es ist auch wichtig für die Medien. Denn sowohl das umstrittene Polizeigesetz als auch die Kriminalisierung der Rettungsorganisationen waren in den vergangenen Wochen in der politischen Debatte allenfalls ein Nischenthema.
Worüber hat das Land stattdessen diskutiert? Über Grenzkontrollen, über Verhinderung von Migration und über Transitzentren. Und zwar mehrere Wochen lang. Wegen des Machtkampfs innerhalb der Union stand die politische Arbeit wochenlang nahezu still. Und all das wegen Themen, die vor allem einer rechten Partei und ihrer Wählerschaft wichtig sind - und sonst niemandem.
Die Mehrheit will keine AfD-Themen
Horst Seehofer und Markus Söder lassen keine Versuchung aus, der AfD nach dem Mund zu reden, um ihr Wählerstimmen abzujagen. Und sie sind nicht die einzigen: Auch SPD-Chefin Andrea Nahles ließ sich im Mai zu der Aussage hinreißen, man könne schließlich "nicht alle aufnehmen". Als hätte das irgendjemand jemals gefordert.
Manchmal fühlt es sich an, als mache man in Berlin und Bayern nur noch Wahlkampf für AfD-Wähler. In Bayern sind das laut Umfragen allenfalls 13 Prozent. Dass die restlichen 87 Prozent auch noch da sind, davon merkt man in der politischen Diskussion derzeit herzlich wenig.
Dabei hat eine Forsa-Umfrage kürzlich ergeben, dass die europanahe Politik von Angela Merkel selbst bei CSU-Wählern für mehr Zustimmung sorgt als der Populismus von Markus Söder. 75 Prozent der Bayern finden andere Probleme deutlich wichtiger als die Flüchtlingskrise - und 39 Prozent halten die CSU selbst für das größte Problem im Land.
Warum hört uns niemand?
Hinzu kommen die Großdemos: Im Mai gingen mehr als 30.000(!) Menschen in München gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz auf die Straße. Für Bayerns Innenminister Joachim Hermann war das im Anschluss schlichtweg (Zitat) "Lügenpropaganda". Das Gesetz wurde von der CSU trotz allem im Alleingang durchgedrückt.
Zum Vergleich: Zu einer groß angekündigten rechten Großdemo der AfD in Berlin kamen im Mai maximal 5.000 Leute. Ihnen standen rund 25.000 Gegendemonstranten gegenüber - also das fünffache. Warum werden 25.000 Menschen nicht gehört, aber für AfD-nahe Themen fast die Regierung aufs Spiel gesetzt?
Es ist ziemlich kurzsichtig und dumm, wochenlang einer kleinen Minderheit von Rechtspopulisten nach dem Mund zu reden. Ständig ihre Themen aufzugreifen, die eigentlich gar keine Themen sind. Denn die 30.000 in München, die 12.000 in Berlin, die 10.000 in Düsseldorf: DAS ist das Volk. Und das Volk will auch mal wieder gehört werden.
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in russland sind fußball-weltmeisterschaften - 12 junge fußballer sitzen in thailand in der höhlenfalle - ein neues einwanderergesetz ist jahzehntelang überfällig - vor libyen schwimmen viele leichen im mittelmeerwasser - und in deutschland kümmert man sich seit monaten nur noch um das unwichtige geblubber einer einzigen rechten partei, der es gelungen ist, unsere satte politlandschaft aufzumischen - und jetzt zuletzt kümmerte sich die geballte politische kraft in deutschland um vielleicht 5 anreisende, die die drei durchgangsstationen an der bayerischen grenze zur bundesrepublik (!) vielleicht pro tag anlaufen werden - aber vielleicht auch nicht ...
politik ist nicht nur ein dreckiges geschäft - sie ist auch fatal - weil sie die realitäten verkennt und sich parallelwelten zimmert, sich in diese scheinwelten verrennt. politik ist nicht mehr objektiv sondern subjektives gedöns: sie verwechselt die persönlichen befindlichkeiten einiger weniger egomanen und die themenliste einer kleinen provozierenden partei mit den unter den nägeln brennenden themen der mehrheit dieses "volkes" ...
und das eigentliche "volk" hat die politik darüber längst aus den augen verloren ... - S!
Quelle: WELT am Sonntag, Nr. 27, v. 08.07.2018, S. 12 |