AfD, die
Kultur und
die Wurst
Am Montagabend kam es im Bundestag zu einer eher seltenen Begegnung. Auf Einladung der AfD diskutierten der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, mit zwei Vertretern der AfD-Fraktion über Kulturpolitik. Genauer gesagt: über die vor mehr als einem Jahr unter dem Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“ vorgestellten „15 Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt“. An denen hatten Ministerien, Verbände,Kirchen, Medienvertreter, Gewerkschaften und Arbeitgeber mitgewirkt. Die AfD hat dazu ein Gegenpapier erarbeitet.
Wer ein Gespür für die Kulturpolitik der AfD bekommen will, konnte einiges lernen. Es werde durchgehend davon ausgegangen, dass die deutsche Kultur und die Kultur der Zuwanderer gleichwertig seien, bemängelte Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Doch bei der Integration könne die Leitkultur nicht ausgesondert werden. Der AfD-Medienpolitiker Martin Renner kritisierte, dass über „deutsche Identität“ in dem Thesenpapier überhaupt nicht gesprochen werde.
Was sie damit meinen, beantworteten die AfD-Politiker nicht. „Es gelingt ihnen nicht, positiv zu beschreiben, was deutsche Kultur eigentlich ist“, kritisierte denn auch Claussen. „Aggressiv“ überspiele die AfD diese Leerstelle. Renner führte mit Blick auf eine vermeintlich drohende Islamisierung Weihnachtsmärkte an, die es kaum noch gebe, und fehlende Würstchen aus Schweinefleisch auf dem Kitagrill.
Auf Schlagwörter reduziert sind auch die Einlassungen zur Kulturpolitik im Grundsatz- und Wahlprogramm der AfD. Auch dort ist von „deutscher Leitkultur statt Multikulturalismus“ zu lesen. Konkret wird die AfD allenfalls im Negativen, wenn es zum Beispiel um die Verhinderung vermeintlich linker Kultur geht. Da aber wird es dann schnell sehr konkret. Etwa wenn die AfD die Zulässigkeit von Fördergeldern für Kunstprojekte gegen Rassismus kritisiert.
Wenn sie versucht, Konzerte von Feine Sahne Fischfilet zu verhindern. Oder gegen Stücke vorgeht, die sich für Toleranz einsetzen, wie das Theater Dessau mit „Der Fremde so nah“.
Konkret wird die AfD auch, wenn es um die deutsche Geschichte geht und die angebliche Verengung auf die NS-Zeit. Björn Höcke nannte das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“ und will eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.
Alexander Gauland möchte auf die Soldaten der Wehrmacht stolz sein dürfen und verharmlost die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“.
Konkret will die AfD die deutsche Sprache im Grundgesetz verankern. Dieser Antrag ist im Frühjahr im Bundestag gescheitert.
Sabine am Orde|taz - Donnerstag, 15.11.2018, Seite 05
______________________
Kultur und
die Wurst
Am Montagabend kam es im Bundestag zu einer eher seltenen Begegnung. Auf Einladung der AfD diskutierten der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, mit zwei Vertretern der AfD-Fraktion über Kulturpolitik. Genauer gesagt: über die vor mehr als einem Jahr unter dem Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“ vorgestellten „15 Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt“. An denen hatten Ministerien, Verbände,Kirchen, Medienvertreter, Gewerkschaften und Arbeitgeber mitgewirkt. Die AfD hat dazu ein Gegenpapier erarbeitet.
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
gyros auf dem "deutschen" weihnachtsmarkt . foto: flickr |
Wer ein Gespür für die Kulturpolitik der AfD bekommen will, konnte einiges lernen. Es werde durchgehend davon ausgegangen, dass die deutsche Kultur und die Kultur der Zuwanderer gleichwertig seien, bemängelte Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Doch bei der Integration könne die Leitkultur nicht ausgesondert werden. Der AfD-Medienpolitiker Martin Renner kritisierte, dass über „deutsche Identität“ in dem Thesenpapier überhaupt nicht gesprochen werde.
Was sie damit meinen, beantworteten die AfD-Politiker nicht. „Es gelingt ihnen nicht, positiv zu beschreiben, was deutsche Kultur eigentlich ist“, kritisierte denn auch Claussen. „Aggressiv“ überspiele die AfD diese Leerstelle. Renner führte mit Blick auf eine vermeintlich drohende Islamisierung Weihnachtsmärkte an, die es kaum noch gebe, und fehlende Würstchen aus Schweinefleisch auf dem Kitagrill.
Auf Schlagwörter reduziert sind auch die Einlassungen zur Kulturpolitik im Grundsatz- und Wahlprogramm der AfD. Auch dort ist von „deutscher Leitkultur statt Multikulturalismus“ zu lesen. Konkret wird die AfD allenfalls im Negativen, wenn es zum Beispiel um die Verhinderung vermeintlich linker Kultur geht. Da aber wird es dann schnell sehr konkret. Etwa wenn die AfD die Zulässigkeit von Fördergeldern für Kunstprojekte gegen Rassismus kritisiert.
Wenn sie versucht, Konzerte von Feine Sahne Fischfilet zu verhindern. Oder gegen Stücke vorgeht, die sich für Toleranz einsetzen, wie das Theater Dessau mit „Der Fremde so nah“.
Konkret wird die AfD auch, wenn es um die deutsche Geschichte geht und die angebliche Verengung auf die NS-Zeit. Björn Höcke nannte das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“ und will eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.
Alexander Gauland möchte auf die Soldaten der Wehrmacht stolz sein dürfen und verharmlost die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“.
Konkret will die AfD die deutsche Sprache im Grundgesetz verankern. Dieser Antrag ist im Frühjahr im Bundestag gescheitert.
Sabine am Orde|taz - Donnerstag, 15.11.2018, Seite 05
______________________
der afd geht es bei der "leitkultur" eindeutig um die wurst - um die schweinefleisch-bratwurst auf dem kita-grill ...
nun - als 3/4-vegetarier muss ich dann wohl auswandern, sollte die afd jemals die deutsche kultur maßgeblich bestimmen. auch bei "deutscher identität" hätte ich ja meine probleme - gibt es das "deutsche reich" ja erst seit 1871 - also erst knappe 150 jahre - und das sich eben wie fast alle "volksgemeinschaften" dieser erde aus einer vielzahl von volksgruppen zusammensetzt, die alle durch migration, flucht vor kriegswirren, vertreibung und wanderungen völlig durcheinander sich "vermischt haben: ostpreußen mit balten, sachsen und bayern, hessen und thüringer, lothringer und ostfriesen, westfriesen und nordfriesen, württemberger und saarländer, lipper und westfalen - alles mal eigenständige "staaten" und "nationen" und "provinzen" - mit könig und graf und landesherren usw.
da ist das mit einer maßgeblichen identität schon problematisch: mein opa wurde als donauschwabe in ungarn geboren, ging in die usa, kam ala wirtschaftsflüchtling von dort zurück ins ruhrgebiet, wo dann mein zunächst "staatenloser" vater geboren wurde, der dann "preußischer staatsbüger" wurde und so zur "deutschen" wehrmacht 1939 eingezogen wurde ... hinter welcher "identität" soll ich mich da ausrichten.
und die meisten menschen in mitteleuropa haben es schwer, ihre familien rückwirkend bis über 1618 (beginn 30-jähriger krieg) hinaus "deutsch" zu verorten - was immer das dann auch sein mochte... - betreibe mal ein wenig "genealogie" - du wirst staunen, was das für ein kommen und gehen war durch die jahrhunderte von generation zu generation.
inzwischen kann man auch für ca. 70 euro gen-speicheltests machen lassen zu bestimmung der jeweiligen "abstammung" bei den einschlägigen internationalen genealogischen instituten (googeln): und siehe da: die "wurzeln" jedes einzelnen reichen meist über die "deutschen" landesgrenzen hinaus ...
selbet herr orbán ist gar nicht der ur-"magyare", den er gern heraushängen lässt - seine vorfahren kommen wahrscheinlich aus belgien oder luxemburg - wenigstens leben auch dort "orbáns" - und ungarn ist ja ein vielvölker-einwanderungsland. das hat man scheinbar heute vergessen ...
inzwischen kann man auch für ca. 70 euro gen-speicheltests machen lassen zu bestimmung der jeweiligen "abstammung" bei den einschlägigen internationalen genealogischen instituten (googeln): und siehe da: die "wurzeln" jedes einzelnen reichen meist über die "deutschen" landesgrenzen hinaus ...
selbet herr orbán ist gar nicht der ur-"magyare", den er gern heraushängen lässt - seine vorfahren kommen wahrscheinlich aus belgien oder luxemburg - wenigstens leben auch dort "orbáns" - und ungarn ist ja ein vielvölker-einwanderungsland. das hat man scheinbar heute vergessen ...
und wie das große amerika ja zusammengewürfelt ist aus vielen unterschiedlichen ethnischen gruppierungen, ist der ständige wandel der "identitäten"über diese generationen die regel. denn nichts ist so beständig wie der wandel ...
und ob wir wollen oder nicht - als "vaterlandslose gesellen" schaffen wir uns unsere "heimat" selbst durch eine eigenständige "setzung", die auch mal wieder verändert werden kann im laufe des lebens und des schicksals - und "wir" sind die weltmeister im reisen - und gehen zum griechen und zum türken und zum italiener und ins china-restaurant - und es schmeckt uns - ganz ohne schweinefleisch-bratwurst - und das ist auch gut so ...
ach - und die weihnachtsmärkte - die deutschen weihnachtsmärkte: ich bin jetzt über 70 - und weiß, dass der "boom" an weihnachtsmärkten erst vor 50 jahren aufkam - und all die marktbeschicker sind zumeist ein ganz internationales völkchen: mit türkischer zuckerwatte, und cevapcici, und gyros und crepes und den orientalischen lebkuchen-gewürzen - und eine sinti-frau als kartenlegerin - und sankt nikolaus kam ursprünglich aus der heutigen türkei - und das alles auf einem "deutschen weihnachtsmarkt" - da kann man nur mit irgendwas schütteln - und wenn es auch der kopf ist...