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greta thunberg - & logion 9 - einfach wunderbar

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faksimile thomas-evangelium - simple-pedia



Aus Logion 9 - im sogenannten "Thomas-Evangelium" -

einer im Dezember 1945 in Oberägypten in Nag Hammadi von einem Fellachen in einem Tonkrug gefundenen koptischen Schrift - über die Entstehungszeit und Authentizität streiten sich seitdem die Experten:
Jesus sagt: der Sämann kam heraus und füllte seine Hand und streute aus. Einiges fiel auf den Weg, die Vögel kamen und pickten es auf. Anderes fiel auf den Felsen, trieb keine Wurzeln in die Erde, hob auch keine Äste zum Himmel. Und wieder Anderes fiel in die Dornen. Sie erstickten die Saat und die Würmer fraßen sie auf. Anderes aber fiel auf gutes Land, das brachte gute Frucht. Es trug sechzig je Scheffel und einhundertzwanzig je Scheffel.
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Repro aus: EVANGELIUM NACH THOMAS, Leiden, E.J. Brill, 1959 - S. 6 u. 7

Das kennen wir doch - das Gleichnis vom Sämann. Dies ist eines der Originalstücke, die dem Evangelium der Christen überleben halfen. Aber vergessen wir die Bibelgestalt und wenden uns der Urgestalt zu. Erstens: bei Jesus ist nichts zufällig und nichts "einfach so" gesagt. Also auch nicht die Sache mit den Vögeln, den Dornen und den Felsen. All das soll nicht nur illustrieren, was mit der Saat geschieht, sondern auch, auf welche Weise. Zunächst einmal streut der Sämann aus - es interessiert ihn nicht, wohin die Saat fällt, er streut, während er weitergeht. Kein Landstrich wird ausgelassen, es gibt keine Voraussetzungen, nichts da mit "wer da glaubt und getauft wird". Die Arbeit des Sämannes ist nicht, aufzupassen wohin seine Saat fällt, sondern zu säen. Wohin es fällt, fällt es. Aber die Wirkung ist unterschiedlich; was die Vögel fressen, nährt sie immerhin. Und was auf den Felsen fällt - es findet keinen Nährboden, aber es ist niemand "schuld" wenn es nicht aufgeht. Was unter die Dornen fällt - die Eigenschaft dieses Gewächses ist, daß es neben sich nichts aufkommen läßt, weil es allem den Nährstoff entzieht. Das ist dann schon eine etwas andere Situation, denn hier lebt etwas auf Kosten eines anderen und durch Gestrüpp wird menschliche Nahrung vernichtet. Immerhin aber - die Würmer nährt sie doch noch, aber sie nehmen es wie andere Nahrung auch. Aber wo es in den Acker fällt - sechzig und hundertzwanzig sind nicht nur Synonyme für "doppelt und dreifach", sondern sind populäre Glückszahlen von universaler Dimension.

Das heißt - gegeben wird ohne Voraussetzung, aber um sich zu entwickeln braucht das Gegebene Voraussetzungen und je besser die sind, um so besser der Erfolg. Es nährt das Gewürm und die Vögel, aber die finden allenfalls andere Nahrung - der Mensch aber braucht Brot. Er kann Gras nicht essen. Und Brotgetreide wächst nur auf einem gut gehaltenen Acker, weder auf dem Weg noch auf den Felsen noch in Gemeinschaft mit Dornen. Wenn die Lehre Jesu in die Menschenherzen fällt, fällt sie auf unterschiedliches Land. Ein Herz ist ein Weg - alles trampelt drüber, er ist notwendig, aber ehe etwas in dieser harten Erde einwurzeln kann, sind schon die allzeit hungrigen Vögel da, die Ausflüchte und Sachzwänge und es wird von ihnen weggefressen, aufgelöst. Ein anderes Herz ist aus Stein - da kann nichts Wurzeln schlagen, und wenn nichts Wurzeln schlagen kann, kann auch nichts "Äste gen Himmel recken". Es bleibt liegen und vertrocknet. Und es gibt die Dornenherzen - voll Gestrüpp, vorgefaßten Meinungen, verknöcherten Lebenskonzepten, angelernten, nie durchdachten Verhaltensweisen - da ist zwar Boden, aber wenn etwas darauf wachsen will, hat es keine Chance, es wird erstickt und das Aas nehmen sich die Würmer, die alles Aas annehmen und beseitigen.

Und was ist das gute Land? Ein lockeres, sauberes, leeres Feld. Das Leben hat es auf vielfache Weise vorbereitet - es ist umgestochen worden, es wurde durchgepflügt und durchgeharkt, es wurde mit Nährstoffen versehen - und dann wurde es liegen gelassen für die Saat. All das haben Andere getan, nicht der Sämann. Der Mensch, dessen Herz gutes Land ist, hat all das geschehen lassen, geduldig wie die Erde, und er hat sich offen gelassen für das, was kommen mag. Er hat sich weder festtreten lassen noch hat er zugelassen, daß sich Unkraut in seinem Herzen ansiedelt. Er wartet er auf den Funken, der ihn entzündet - ohne daß er weiß, welches dieser Funken sein wird oder sein soll. Aber er nimmt etwas andres nun nicht mehr an, sondern wartet auf die Saat, auf nichts sonst.

Dabei fühlt er sich oft leer und kahl - ein bracher Acker ist leer und kahl. Was er kann, wird man erst sehen, wenn die Saat darauf gefallen ist. Es ist aber damit auch gesagt: macht euch keine Sorgen, wohin die Lehre fällt - seid wie der Sämann, der nicht zusieht, ob er die Saat auf den Acker bringt oder sonstwohin. Streut nur aus, bemüht euch nicht, es richtig zu machen. Es wird nur dort aufgehen, wo das Menschenherz auch bereit ist, überall sonst wird es verpuffen. Die Vögel kritisieren den Sämann nicht und die Würmer auch nicht, sondern sie sind dann wenigstens satt. Es gibt dann zwar kein Brot, aber die Saat, die auf den Acker fällt, macht solchen Verlust mehr als wett.

aus: THOMAS-Comment AG Gnosis Juliane Intkaes-Bobrowski



tja - dieses etwas ungewöhnliche gleichnis vom sämann - ganz außerbiblisch - in einem alten tonkrug aufbewahrt in einem felsversteck in oberägypten - und "zufällig" aufgefunden von einem fellachen, einem bauern, der das was er da gefunden hatte, gar nicht einordnen und wertschätzen konnte. 

aber inzwischen hat man all die "schriften von nag hammadi" zusammengepuzzelt und entziffert und übersetzt.

und es sind zumeist gnostische erbauungsschriften und "evangelien", im 2. bis 3. jahrhundert entstanden - und eben hier das wohl ältere sogenannte "thomas-evangelium", das benannt wurde nach jenem "ungläubigen" thomas-apostel, der nach dem ableben jesu der legende nach in indien missioniert hat und dort auch anscheinend verstorben ist.

er soll von jesus selbst den auftrag gekommen haben, diese leitsätze aufzuschreiben und quasi als quintessenz der originalen jesu-lehre dann auch weiterzugeben: da wo thomas draufsteht ist vielleicht nach meinung einiger der echte jesus noch drin ...

da diese kernsätze mit dem späteren paulinischen "christentum" nur recht wenig und bruchstückhaft kompatibel waren, hat die frühe kirche dieses durchaus schon viele jahrhunderte vor den nag-hammadi-funden 1945 bekannte exzerpt des thomas aber regelrecht unterdrückt und vielleicht in die geheimarchive im vatikan in die allerletzte ecke verbannt - auf alle fälle eben nicht mit in die kanonisierten evangelien und schriften des "neuen testaments" eingefügt.

wohl aber eben das "johannes-evangelium", was textmäßig ebenso "aus der reihe schlägt", aber mit den grundsätzen der eigentlichen "christlichen" religionsgründer um den "apostel" paulus von tarsus und später dann in rom auf den konzilien noch in etwa in einklang zu bringen war.

so gammelte also das sogenannte "thomas-evangelium" eben all die jahrhunderte vor sich hin - und wurde in einigen geheimzirkeln verbreitet, vielleicht mündlich weitergegeben bei den sogenannten "thomas-christen" in indien und der heutigen türkei und eben in gnostischen sekten im vorderen orient, die dann auch den tonkrug in den sand von nag-hammadi ablegten.

soweit knapp die spannende geschichte des äußeren textes - nun aber zum inhalt des logion 9; das ähnlichkeiten mit dem "gleichnis vom sämann" aus den kanonischen bibel-evangelien aufweist.

und mir fiel das logion 9 wieder ein, als ich meine "taz" las - und die ja fast ebenso "wundersamen" begebenheiten einer saatvermehrung um die 16-jährige greta thunberg vor augen hatte, die anfangs ja ganz "mutterseelenallein" vor dem schwedischen parlamentsgebäude in stockholm saß mit ihrem selbstgemalten pappschild: „skolstrejk för klimatet“ - und deren bittersüße "saat" nun dermaßen aufgegangen ist, dass mittlerweise hunderttausende von schülern, auch eltern und lehrer und wissenschaftler, es ihr regelmäßig an jedem "friday for future" in über 100 staaten der welt gleichtun - und für eine bessere umwelt und zukunft "strejken": nicht zur schule gehen - nicht in die labore, institute und an die arbeitsplätze - nicht in die hochschulen und universitäten: ein weltweiter streik für eine bessere umwelt - ausgegangen von der sicherlich hier und da gewöhnungsbedürftigen greta, die einfach stur ihren kopf durchsetzte.

und bei der geschichte um ihren asperger-autismus mit vorübergehenden hungerstreik-attacken und ihrem knallharten entschluss "so - und nicht anders" - ganz auf sich allein gestellt - musste ich auch an jesus denken, der auch vor 2000 jahren seinen kopf durchsetzte mit damals zunächst für die jüdische tempelaristokratie - und seine familie - zunächst einmal "wirren" ideen ... seine familie bezeichnete ihn als "irregeleitet" und war schon losgezogen, um ihn wieder einzusammeln:

das älteste markus-evangelium (ca. 70 n. chr.) erzählt nahezu zu beginn von jesu wirken, dass jesu mutter und brüder „losgehen, um ihn zu greifen“, als sie hören, wie viele menschen ihm folgen, denn sie sagen:„er ist von sinnen“ (mk 3,20f). markus kennt also keine wunderbare weihnachtsgeschichte von der geburt und kindheit jesu. bewusst stellt der evangelist jesu mutter maria und brüder in die nähe der schriftgelehrten, die jesus vorwerfen, er sei von dämonen besessen.

und ähnliche angriffe muss greta thunberg ja heutzutage auch über sich ergehen lassen, wenn z.b. unser fdp-"experte" für alles lindner meint, greta und schüler und "kinder" hätten natürlich "keine ahnung" von umweltschutz - und dass solle man mal den "experten"überlassen ...

ich will hier nicht den hype um greta thunberg überhöhen und sie mit diesen zeilen etwa auch noch in die nähe jesu rücken - ich möchte nur auf die gesellschaftlich gleichen phänomene hinweisen - vor 2000 jahren und heute - und diese äußeren parallelen ziehen - und ich möchte auf die grundaussagen von logion 9 im thomas-evangelium hinweisen: manche samenkörner oder eben auch ideen und grundsätze und parolen fallen auf weniger fruchtbaren grund und boden - und manche sind so fruchtbar und wichtig und für viele einsehbar, dass aus einer einsamen schulstreikerin in stockholm ohne "management" und "zentraler organisation" und ohne finanziellen eigennutz innerhalb von ein paar monaten eine weltweite bewegung anwachsen und hochsprießen kann: viele hunderttausend menschen "je scheffel" ...

also: wunder gibt es immer wieder - und das tröstliche ist: es gibt sie noch ... - es soll uns mut machen ...

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greta thunberg - graphische bearbeitung: sinedi



„Fridays for Future“ weltweit

Greta global

Am Freitag wollen Hunderttausende junge Menschen für eine bessere Klimapolitik protestieren. Die Bewegung hat einen Star: Greta Thunberg. Wer ist sie?

Von Anett Selle | taz

taz | Sie steckt fest, es geht nicht weiter. Presse und Fans füllen die Straße, wedeln mit Kameras und Handys. Einige versuchen, die Kette aus Menschen zu durchbrechen, die mühsam einen Sicherheitsabstand aufrechterhält. Erst als die Polizei dazukommt, beruhigt sich die Situation etwas. Kinder und Jugendliche gehen nebenher, einige rufen, um ihr Vorbild auf sich aufmerksam zu machen. Es ist Freitag, wenn sie nicht gerade feststeckt, zieht die Schulstreikdemo durch die Stadt: Und Greta Thunberg läuft mitten drin.

An diesem Tag Anfang März ziehen bis zu 10.000 junge Menschen durch Hamburg, mehr als zehnmal so viele wie in der Vorwoche. Wo Thunberg auftaucht, wird es voll: Anfang Januar war sie beim Schulstreik in Brüssel zu Gast, da beteiligten sich bis zu 100.000 Menschen.

Ganz allein hat die heute 16-jährige Schwedin ihren Schulstreik für mehr Klimaschutz im August vorigen Jahres begonnen. Allein ist sie damit inzwischen gewiss nicht mehr. Demonstriert wird in Australien und Japan, in Kanada, Brasilien und den USA, in Nigeria und Südafrika, und in nahezu jedem Land Europas.

Eltern haben sich solidarisiert als Parents for Future, Wissenschaftler*innen sind als Scientists for Future dabei. Diesen Freitag nähert sich die Bewegung ihrem bisherigen Höhepunkt: Am 15. März soll rund um die Welt gestreikt werden. Der letzte Stand: 1.650 Orte in 105 Ländern.

Greta Thunberg, ein Vorbild für Zehntausende

Die Fridays-for-Future-Bewegung organisiert sich lokal und unabhängig. Eine Hierarchie oder zentrale Struktur gibt es nicht. Aber ein Zentrum: Greta Thunberg. Viele der jungen Demonstrant*innen in Hamburg sagen, sie hätten nicht gewusst, was sie angesichts des Klimawandels tun könnten, und niemanden gehabt, zu dem sie aufschauen konnten. Thunberg habe das geändert.

Auf der Bühne richten die Schüler*innen Lilli und Gustav sich direkt an sie. „Wir danken dir, dass du damit angefangen hast, für das Klima zu streiken. Für uns und für viele bist du ein Vorbild. Wir lieben dich für das, was du tust. Für deinen Mut, Dinge zu sagen, die Erwachsene nicht wahrhaben wollen. Für dein Durchhaltevermögen. Und dafür, dass du uns eine Stimme gibst.“

Mit ihrem Schulstreik hat Thunberg die Klimakrise zu einer Angelegenheit der Jugend weltweit gemacht. Eine junge Frau, die von sich sagt, sie sei ihr ganzes Leben lang das „unsichtbare Mädchen“ gewesen, das hinten sitzt und nichts sagt: Heute ist sie eine, der andere danken, weil sie ihnen eine Stimme gibt. Als Kind habe sie die Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommen aus Filmen über den Klimawandel, sagt sie. Thunberg hat die Diagnose Asperger, sie sagt, sie könne Sorgen nicht verdrängen.

Krank, klein unsichtbar. Und jetzt dauerpräsent

Mit elf Jahren erkrankte sie an Depression, konnte zeitweise nicht mehr zur Schule gehen, nicht mehr essen, sprach kaum noch. Dann begann sie, sich selbst zu ermächtigen, zuerst gegenüber ihren Eltern. Die überzeugte Greta Thunberg, kein Fleisch mehr zu essen, vegan zu werden, nicht mehr zu fliegen.

Thunbergs Mutter ist die Opernsängerin Malena Ernman, die Schweden 2009 beim Eurovision Song Contest vertrat. Dass Ernman nicht mehr flog, fiel der schwedischen Öffentlichkeit auf. Dann schrieben Ernman und ihr Mann Svante Thunberg ein Buch darüber, wie ihre Tochter sie verändert hatte. Und schließlich setzte sich Greta Thunberg allein vor das schwedische Parlament mit ihrem Schild:, Schulstreik für das Klima. Anfangs täglich, dann jeden Freitag. Es folgten: Schüler*innen weltweit, die die Idee aufgriffen, eine Einladung zur UN-Klimakonferenz und ins schweizerische Davos, zum Weltwirtschaftsforum.

Das Treffen in Davos ist die alljährliche Begegnung der Politik- und Wirtschaftselite. Als Thunberg Ende Januar nach anderthalb Tagen Zugfahrt von Schweden in dem verschneiten Alpenstädtchen ankommt, warten Dutzende Journalist*innen am Bahnsteig. Der Andrang ist größer als bei manchem Staatsgast. Im Ortszentrum ist für die Klimaaktivistin eine Pressekonferenz organisiert, davor drängeln Kamerateams. Aufpasser bahnen Thunberg eine Gasse.

Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, begrüßt Thunberg mit Handschlag und widmet ihr ein paar Minuten. Lagarde ist eine der einflussreichsten Politikerinnen weltweit, sie überlegt sich genau, mit wem sie sich vor die Kameras stellt. Aber die beiden scheinen nicht recht zu wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Thunbergs Gesichtsausdruck ist angespannt. Später wird sie einem Raum voller Politik- und Wirtschaftseliten sagen, diese hätten ihren finanziellen Erfolg auf Kosten des ganzen Planeten erreicht: Das Video ihrer Rede wird um die Welt gehen.

Thunberg bleibt wie ist ist: unangepasst

Thunberg, die von ihrem Vater in Davos begleitet wird, sagt leise: „Ich mag es eigentlich nicht, vor Leuten zu reden.“ Mit dem hohen Stuhl, auf dem sie sitzen soll, kommt sie nicht zurecht. Sie bleibt stehen. Was andere von ihr denken, scheint Thunberg nicht zu kümmern: Sie ist ein Mensch der Gegensätze, sie polarisiert. Man stimmt ihr zu, oder ist dagegen. So oder so, wenn Thunberg spricht, wird zugehört. Wenigen ist sie egal. Das liegt an dem, was sie sagt und zu wem – und wie.

„Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn das tut es.“

„Erwachsene sagen immer wieder: Wir sind es den jungen Leuten schuldig, ihnen Hoffnung zu geben. Aber ich will eure Hoffnung nicht.“


„Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“


„Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.“


Dass Thunberg schwarz-weiß malt, ist ein häufiger Kritikpunkt. Zwar sind die Konsequenzen der Erderwärmung Konsens in der Wissenschaft: Naturkatastrophen, Wassermangel, Hungersnöte, saure Meere, das Aussterben von Tierarten. Kritik an Thunbergs Aussagen bezieht sich aber meist gar nicht auf den menschengemachten Klimawandel an sich oder die Untätigkeit, die Thunberg anprangert, sondern auf ihre absoluten Formulierungen.

Kritik an Thunbergs Aussagen
bezieht sich meist gar nicht
auf den Klimawandel an sich
oder die Untätigkeit,
die Thunberg anprangert,
sondern auf ihre
absoluten Formulierungen

Denn es gibt sie ja doch, die Grauzonen im Überleben: Auch mit einer Erwärmung um 4 Grad und mehr wäre menschliches Leben auf der Erde höchstwahrscheinlich möglich. Nur eben nicht an allen Orten, an denen es heute stattfindet. Einige wären höchstwahrscheinlich zu heiß, andere lägen unter Wasser. Aber eben nicht alle.

Was Thunberg und die Schüler*innen der Fridays for Future von der Politik fordern, ist die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. 196 Länder haben damit 2016 zur Staatsaufgabe erklärt, die menschengemachte Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Ob das reicht, um das unumkehrbare Kippen des Klimas zu vermeiden, ist in der Wissenschaft umstritten.

Ist Klimawandel „nur eine Sache für Profis“?

Für manche ist Thunberg ein Kind, trotz ihrer 16 Jahre. Ein kleines Mädchen mit zwei langen Zöpfen, einer Wollmütze und wenig Ahnung von wirtschaftlichen Realitäten. Dass Thunberg recht klein ist, liegt an ihrer Depression: Als sie nicht mehr aß, hörte sie auf zu wachsen. So wirkt sie auf viele kindlich, trotz ihres Alters. Die Jugendlichkeit machen manche Kritiker*innen nicht nur ihr, sondern der ganzen Bewegung Fridays for Future zum Vorwurf, so wie etwa FDP-Chef Christian Lindner: „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits globale Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.“

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat eine Diskussion ausgelöst – nicht darüber, ob die Menschheit in Zukunft leben wird, sondern wie. Der Weg dorthin war schrittweise Eskalation. Erst der Boykott der Schule für mehr Klimaschutz durch Thunberg. Das schuf Aufmerksamkeit. Dann, dass Schüler*innen einstiegen, die Bewegung sich international ausbreitete und Menschen hinzukamen, die nicht mehr zur Schule gehen. Parents for Future, Scientists for Future, Interessierte. Nun folgt diesen Freitag die maximale Eskalation: Protest weltweit. Auf der einen Seite ist das ein Erfolg für die Bewegung. Auf der anderen Seite eröffnet es die Frage, wie es weitergehen soll.

Was tun, wenn eine Strategie an ihrer obersten Eskalationsstufe angelangt ist: Weitermachen, Neues ausprobieren, aufhören? Schüler*innen in Hamburg geben sich entschlossen, immer und immer weiter zu streiken – bis die Politik Maßnahmen ergreift, um das Zwei-Grad-Ziel zu erfüllen. „Wir werden schulstreiken, bis sie handeln“, sagt auch Thunberg auf der Bühne. Einige Zeit könne vergehen, bis sich Erfolg zeige. „Aber wir werden geduldig sein und wir werden weitermachen. Denn das ist unsere Zukunft und unsere Entscheidung.“ Es scheint also darauf hinauszulaufen, wer den längeren Atem hat.

Thunberg macht es vor: Wenn am Freitag an über 1.000 Orten gestreikt wird, wird sie nirgendwo zu Gast sein. Sie wird vor dem schwedischen Parlament sitzen. Wie im August, als alles begann. Nur mit mehr Gesellschaft.

Mitarbeit: Hannes Koch


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