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 KUNST AUS AFRIKA

Paint it black

Das Interesse des Kunstmarkts an der Arbeit schwarzer Maler und Bildhauer ist riesig. Ihre Gemeinsamkeiten zu definieren, fällt aber schwer.

Von Marcus Woeller | DIE WELT

In der Stephen Friedman Gallery in London waren jüngst „Arbeiten von Künstlern afrikanischen Ursprungs und quer durch die Diaspora“ ausgestellt. Ausgesucht wurden „Künstler, die sich in den Geist des afrikanischen Widerstands und der afrikanischen Repräsentation einfühlen“. Der Schwurbelton verrät, dass sich auch global agierende Galerien und international gefeierte Künstler wie Yinka Shonibare, der die Schau kuratiert hatte, in einem Begrifflichkeitsdilemma befinden.

Denn: Gibt es so etwas wie „afrikanische Kunst“ oder „schwarze Kunst“ überhaupt? Was es gibt, sind jede Menge Unterschiede (wahlweise Gemeinsamkeiten) zwischen Künstlern aus Nigeria, Marokko oder Kenia, zwischen südafrikanischen Künstlern mit weißer und schwarzer Hautfarbe, zwischen afroamerikanischen oder afrikanisch-karibisch-britischen Künstlern, zwischen künstlerischen Stilen und Handwerkstechniken ungeachtet jeder Herkunft, Hautfarbe oder dem Hintergrund irgendeiner wie und wann auch immer gearteten Form von Migration.


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Yinka Shonibare
*1962
LEISURE LADY (WITH PUGS) - Sotheby's Auction Catalogue 2017


Yinka Shonibare erfüllt die oben genannten Kriterien selbst am allerbesten. Er wurde 1962 in London geboren, in die Familie eines nigerianischen Anwaltes, und verbrachte den größten Teil seiner Kindheit in Lagos, der damaligen Hauptstadt von Nigeria. Nach dem Studium an den renommiertesten Kunstakademien Londons, dem Central St. Martins College und dem Goldsmiths College, hat er sein Künstlerleben der Erforschung von kultureller Identität und dem Kolonialismus gewidmet.

Okwui Enwezor lud ihn zur elften Documenta nach Kassel ein, wo er die britische Upper-Class-Tradition der Grand Tour als vormoderne Variante des organisierten Sextourismus von heute inszenierte. Mittlerweile ist Shonibare hochdekoriert, ist Royal Academician und seit 2007 bereits MBE, Mitglied des Ritterordens des British Empire.

Der auch am Kunstmarkt erfolgreiche Shonibare ist aber nicht nur in den erlauchten Zirkeln Britanniens gut vernetzt, sondern auch in der internationalen Kunstszene. Für „Talisman in the Age of Difference“ hatte er mehr als 40 Künstler – „afrikanischen Ursprungs“ – nach London gebracht und damit die wohl spannendste Galerieausstellung des Jahres organisiert. Kudzanai-Violet Hwami war eine der jüngsten Teilnehmerinnen der Schau.
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Die 25-jährige Malerin kommt aus Gutu in Simbabwe, wuchs in Südafrika auf und lebt mittlerweile in Großbritannien. Ihre Gemälde werfen zutiefst persönliche Blicke auf das Leben junger Menschen im Süden Afrikas. Viele ihrer Bilder sind Selbstporträts oder zeigen ihre Familie und Freunde. Es geht um Identität, Körper und Spiritualität, um die Selbstentdeckung und das Erwachsenwerden.

Die hyperrealistischen Travestien des 1977 geborenen, schwarzen Kaliforniers Kehinde Wiley sind dagegen tief in der europäischen Kunstgeschichte eingebettet. Als Porträtist steht er in einer Linie mit weißen Malern wie David, Ingres oder Singer Sargent. Nur dass er die Historienschinken der (afroamerikanischen) Zeitgeschichte malt, den Rapper Ice-T als Napoleon oder Barack Obama vor einer üppigen Hecke.

Das Bild ging als offizielles Porträt in die Präsidentengalerie in Washington ein. Der 81-jährige Texaner Melvin Edwards ist vor allem mit seiner von der US-Bürgerrechtsbewegung inspirierten Skulpturenserie „Lynch Fragments“ bekannt geworden. Die Stahlreliefs sind aus Ketten, Schlössern und Werkzeugen zusammengeschweißt. Edwards ist einer der ersten Künstler mit afrikanischen Wurzeln, die international wahrgenommen wurden.

In Pamela Joyners Privatsammlung dürfen die sprechenden Arbeiten von Melvin Edwards daher nicht fehlen. Die amerikanische Unternehmerin hat eine der bedeutendsten Kollektionen zeitgenössischer Kunst aufgebaut. Joyner berät die Londoner Tate Gallery bei Ankäufen afroamerikanischer Kunst.

Mit ihren Leihgaben hat sie im vergangenen Jahr die bahnbrechende Ausstellung „Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power“ auf den Weg gebracht. Besonders die „schwarze“ Abstraktion, lange vom Markt wie von den Institutionen übersehen, bildete den Grundstock ihrer inzwischen mehr als 400 Werke aus vier Künstlergenerationen umfassenden Sammlung. Zurzeit fokussiert Joyner auf die multikulturelle Kunst aus Südafrika.

Zuletzt hat sie etwa Arbeiten von Kemang Wa Lehulere gekauft. Der Kapstädter wurde im vergangenen Jahr als Künstler des Jahres in der Berliner Kunsthalle der Deutschen Bank präsentiert. Die verspielten Installationen der jungen Künstlerin Bronwyn Katz haben Joyner ebenso überzeugt wie die konstruktiven Holzarbeiten von Serge Alain Nitegeka. Hautfarbe spielt dabei eine untergeordnete Rolle, so sind längst weiße südafrikanische Künstler wie Zander Blom und Mikhael Subotzky in ihrer Sammlung.

Der Diskurs um schwarze Identität in der Kunst findet dort einen Ort: „Dabei kann ich Blackness eigentlich gar nicht definieren“, erklärt sie gegenüber WELT. „Der Begriff wurde auf dem Höhepunkt des transatlantischen Sklavenhandels ausgeheckt, um ihn als kommerzielle Aktivität zu rechtfertigen.“ Sie fokussiere als Sammlerin auf zeitgenössische Künstler afrikanischer Abstammung. Ähnlich wie Shonibare, der in ihrer Sammlung ebenfalls vertreten ist, sei das aber nur ein Konstrukt, das eine sehr breite Gruppe von Kunstproduzenten unterschiedlichster Herkunft und Arbeitsweise umfasse.

„Einige dieser Künstler bezeichnen sich selbst als schwarz und werden auch als Schwarze identifiziert. Bei anderen geht es weniger darum, weder in der eigenen Wahrnehmung noch in der Fremdeinschätzung.“ Ihre Mission sei, diejenigen hervorzuheben, die aufgrund ihrer Hautfarbe marginalisiert werden. Aufräumen will sie mit der „Vorstellung, dass Rasse eine geeignete Linse ist, durch die man Kunst betrachten sollte“.

Das gegenwärtige Interesse des Kunstmarkts am Output schwarzer Maler und Bildhauer sieht sie durchaus kritisch: „Ich hoffe doch, dass wir schon längst darüber hinaus sind, Werke von Künstlern afrikanischer Herkunft nur als trendy zu verstehen.“ Die Qualität von Kunst solle schließlich nach künstlerischen Kriterien bewertet werden, sagt Joyner. „Aber es ist dennoch aufregend zu sehen, dass Künstler, die innovativ sind und transformativ arbeiten, endlich auch die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.“

Zu den bekanntesten afroamerikanischen Malern gehört seit Langem Kerry James Marshall. Seit dem 16. Mai dieses Jahres ist er auch der mit Abstand teuerste lebende schwarze Künstler: Das Auktionshaus Sotheby’s versteigerte sein vier Meter breites Panorama „Past Times“ aus dem Jahr 1997 für 21,1 Millionen Dollar. Ein Kunstberater hatte das Bild im Entstehungsjahr für 25.000 Dollar gekauft und an die Kunstsammlung eines Chicagoer Kongresszentrums vermittelt. Kerry James Marshall malt realistische, figurative, narrative Szenen.

Past Times, 1997. Foto: Nathan Keay, © MCA Chicago / © Kerry James Marshall | The Guardian

Er will davon erzählen, was ist und was fehlt. „In der Kunstgeschichte sind schwarze Figuren völlig unzulänglich dargestellt“, erklärt Marshall im Gespräch mit WELT. „Wenn überhaupt, dann tauchen sie in den Museen peripher auf. Ich wollte ein Werk aufbauen, dass die schwarze Figur als zentrales Thema hat.“ Ebenso wie Schwarze auf Bildern seien auch Künstler afrikanischer Herkunft noch immer unterrepräsentiert. Das sei natürlich eine Folge der Geschichte. „Aber ich spüre eine Abwesenheit bestimmter Bilder, wenn ich ins Museum gehe, und auch der Menschen, die Bilder machen, die mir vertrauter wären.“

Gibt es also doch eine „schwarze Kunst“, eine „afrikanische Kunst“, eine Kunst, die sich über Kontinente hinweg auf ein gemeinschaftlich Identität stiftendes Konzept berufen kann? Blackness, so Marshall, sei nicht nur als politische Realität der schwarzen Bevölkerung zu verstehen, die Jahrzehnte und Jahrhunderte der Unterordnung erlebt hat, sondern vor allem als kritische Position.

„Es ist ein Korrektiv gegen die negative Dialektik, die der Bedeutung, was es heißt schwarz zu sein, auferlegt wurde: nämlich wild, primitiv, unschön, verarmt, unterwürfig, ungebildet. Blackness funktioniert heute als ein Mittel, die Legitimität solcher Zuschreibungen völlig auszuhöhlen.“

Als angewandte Blackness im besten Sinne kann man auch den hohen Auktionserlös für Marshalls Gemälde verstehen: Ersteigert hat es der Musiker Sean Combs alias Diddy auf Empfehlung von Kasseem „Swizz Beatz“ Dean, Hip-Hop-Produzent, Sammler und Kunst-Influencer auf Instagram. Marshalls Galerist Jack Shainman sagte nach der Auktion, dort habe das Bild sein richtiges Zuhause gefunden.


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das ist ja höchstinteressant - wenn europäische galerien und auktionshäuser jetzt afrikanische kunst präsentieren - und hoffentlich mehr auf das feuilleton schielen als auf die kasse.

ich habe die angst, dass das ursprünglich afrikanische dabei vielleicht etwas zu kurz kommt - oder europäisch-westliche kunst von den oft in europa ausgebildeten künstlern umgesetzt und "imitiert" wird mit einer afrikanischen note.

bei tatsächlicher afrikanischer original-kunst solltren wir demütig werden und uns neue sehgewohnheiten erarbeiten - vor allen dingen muss der kunstbetrieb aber "gelassen" bleiben - und die künstler so lassen wie sie sind in ihrer jeweiligen entwicklung und umsetzung.

bei asiatischer kunst hat das ja - besonders auch bei den chinesen - einigermaßen geklappt. auch wenn ai-weiwei gern "westlich" unterwegs ist - sicherlich auch, um kasse zu machen ...
"jeder ist künstler"


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