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wat sacht denn icke dazu ...

ich weiß gar nicht, ob es nach der sommerpause - hin zum herbst - immer eine pr-kampagne gibt für das "psychische". 

gestern habe ich ja schon einen artikel kommentiert  aus meiner heimatzeitung zu psychischen verstimmungen und einem psycho-buch dazu. heute nun ein beitrag aus der "welt" zum thema "selbstwertgefühl" ...

ich fand darin einige ratschläge doch womöglich so hilfreich, dass ich mich entschloss, heute mich nun dieses themas anzunehmen.
vor allem der tipp, darauf zu achten, wie man mit sich selber "spricht" in diesem zusammenhang, ist hier zu nennen:

welches "selbstwertgefühl" habe ich also gegenüber mir selbst: muss ich mich andauernd trösten, oder lache ich mich andauernd aus, werte ich mich ab - und wie meldet sich "mein inneres kind", das ich einmal war - bedeutet es mir noch etwas oder ist das alles "kinderkram"???

schon gestern habe ich ja geraten, neben den fitness-übungen auch an regelmäßige übungen für psyche und seele zu denken - ein psycho-training - allerdings, ohne "selbstsüchtig" oder narzisstisch zu werden: mit inneren rollenspielen und probehandeln - mit einer durchaus auch selbstkritischen selbstwahrnehmung: denn nur wenn ich weiß, wo ich hinwill - wer ich sein will - kann ich mit mir das auch innerlich einüben: und steter tropfen höhlt den stein ... - aber ein persönlicher unverwechselbarer kern muss doch noch bleiben: "so ist er/sie eben".(punkt)
  

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PSYCHOLOGIE

Das starke Ich

Der Selbstwert eines Menschen wird schon früh in der Kindheit angelegt. Ratgeber, Coaches und Crashkurse versprechen, Menschen mit schwachem Selbstbewusstsein zu helfen – mit einfachen Tricks.

Von Julia Friese

Lea Vogel ist Lebenscoach. Ihr Spezialgebiet ist das, was vielen fehlt, was auch ihr fehlt, von dem so viele nicht mal wissen, was es eigentlich genau ist. Selbstbewusstsein. Ihre Praxis liegt im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Einem Ort, der idyllisch wirkt, so, als sei er und mit ihm die ganze Welt mit weißem Flor ausgelegt. Als lebten die meisten Menschen gemeinsam, in Familien, in denen sich alle aber auch selbst verwirklichen, und das dann Arbeit nennen. Lea Vogels Sprechzimmer hat weißen Flor, es sieht sehr schön aus, aber die Tatsache, dass es existiert, erzählt eben auch, dass selbst den Menschen mit dem weißflorigsten Leben etwas fehlt.



Die Klienten kommen einzeln zu ihr. Sie sitzen auf einen Stuhl, Vogel auf der Couch. Sie gießt ihnen Wasser aus einer Karaffe ein. Das ist ein angenehmes Geräusch.

Der Blick des Coaches liegt ganz auf seinem Gegenüber, und Konzentration im Raum.

Ruhe.

„Was ist das eigentlich, Selbstbewusstsein?“

Vogel sagt: „Im Grunde bedeutet es, dass man weiß, wer man ist, und sich so, wie man eben ist, akzeptiert. Unabhängig von dem, was außen passiert.“

Die Psychologie definiert Selbstbewusstsein als Selbstwertschätzung, die zu Teilen genetisch, zu Teilen durch Erfahrungen bedingt ist. Etwa ab einem Alter von zwei Jahren kann der Mensch ein Selbstwertgefühl empfinden. Zunächst ist es ein unbedingt positives. Ein schlechter Selbstwert kann sich erst um das dritte Lebensjahr entwickeln. Dann aber bleibt er.

„Ein geringer Selbstwert entsteht, wenn Kinder die Erfahrung machen, dass sie ihren Eltern nicht vertrauen können, wenn sie zum Beispiel allein gelassen wurden, ob faktisch oder gefühlt. Ein niedrige Selbstwertschätzung basiert immer auf einem partiellen Erziehungsversagen der Eltern“, sagt die Psychologin Stefanie Stahl. Ihr Selbsthilfebuch zum Selbstbewusstsein „Das innere Kind in dir muss Heimat finden“ ist seit 2015 auf dem Markt, und seitdem immer wieder auf den Top-Rängen der „Spiegel“- und Amazon-Verkaufscharts.

Mit einem niedrige Selbstwert ist man also kein Einzelfall. Inwiefern die mit den Eltern gemachten Erfahrungen ein Kind aber prägen, hänge auch von der genetischen Disposition des Kindes, also zum Beispiel von seiner eigenen Sensibilität, ab, sagt Stahl. Es seien meist die introvertierten, die sensibleren und ängstlicheren Persönlichkeiten, die zur geringen Selbstwertschätzung neigten.

Bereits 1965 hatte der amerikanische Soziologe Morris Rosenberg herausgestellt, dass Menschen mit geringer Selbstwertschätzung auch eine hohe Disposition zur Depression aufweisen.

Zu Lea Vogels Coaching kommen Menschen, denen es objektiv betrachtet gut gehen müsste. Sie haben Beziehungen, Familie, gute Jobs. Klar, denn so ein Coaching, das ist immer auch eine Investition. Aber all diese äußeren Marker für ein gelungenes Leben ändern eben doch nichts am Inneren. Denn durch Erfolge und Errungenschaften lässt sich kein Selbstwert erzielen. Zumindest nicht dauerhaft. Warum eigentlich nicht?

Lea Vogel geht zu einem Whiteboard und malt einen Eisberg darauf, der im Wasser steht. Die Grafik soll das von dem Psychologen Eric Berne aufgestellte Modell der Transaktionsanalyse vereinfacht darstellen. „Unser erwachsenes Ich“, sagt Vogel, „ist der Teil, der aus dem Wasser herausragt. Wenn etwas passiert, das uns verunsichert, weil es genau in die Kerbe ältester Verletzungen schlägt, dann schmelzen wir. Es reißt uns unter Wasser. Wir handeln nicht mehr wie selbstbewusste Menschen, gehen unter in unserem Kind-Ich, wo wir uns dann ohnmächtig unseren alten Verletzungen gegenüber ausgesetzt sehen.“

Sie erklärt das Modell an einem Beispiel aus ihrem eigenen Leben. Ihre Großeltern, sagt sie, seien im Krieg aufgewachsen. Ihre Ideale gaben sie an ihre Eltern weiter, eines davon: Arbeit muss hart sein. Relativ früh in ihrem Leben habe Vogel also so viel gearbeitet, dass sie ein Burn-out bekam. Sie sortierte sich mittels eines Lebenscoaches neu und ließ sich am Ende selbst zum Coach fortbilden.

Als sie Letzteres einem Studienfreund erzählte, sagt er ihr über einem Kaffee, dass das ja ein cooler, ja, geradezu wahnsinnig angenehmer Job sei. „Und das war nett gemeint von ihm, aber eben doch ein Trigger für mich“, sagt Vogel.

Sie ging heim, verfiel in ihre älteste Panik: „Scheiße, ich leiste nicht genug.“

Der innere Kritiker hatte sie in der Hand und drückte sie unter Wasser.

Ist es denn überhaupt möglich, sich nur über dem Wasser aufzuhalten?

Stefanie Stahl sagt, dass jeder Mensch seine Selbstwertschätzung zumindest verbessern könne, sobald er sich einmal vor Augen geführt habe, dass diese Schätzung eine vollkommen willkürliche Prägung sei und damit eben nicht notwendig. Sondern vergleichbar mit einer Brille mit getrübten Gläsern, die man absetzen könne.

Lea Vogel rät ihren Klienten dazu auf die Art und Weise, wie sie mit sich selber reden, zu achten. Ein gesundes Selbstbewusstsein bedeute im Grunde nur, dass die Stimme, mit der man mit sich selber spreche, eine sei, die mit einem befreundet sei. Wessen Stimme einen also immer auslache, der habe kein positives, sondern im Gegenteil stark negatives Selbstbewusstsein.

Die Frage ist: Wie ändert man seine innere Stimme?

Lea Vogel sagt, sie hatte mal einen Klienten, der sei in Staus grundsätzlich ausgeflippt. Habe auf das Lenkrad geschlagen, geschrien, seiner Freundin habe das Angst gemacht, sie haben gestritten. Jedes Mal. Vogel habe ihn gefragt, warum er das überhaupt mache. Er habe sie angesehen, brüskiert, habe gesagt: Frau Vogel, ich habe nicht das Gefühl, dass ich eine Wahl habe.

Wahr sei aber, Menschen hätten immer eine Wahl. Gefühle müssen einen nicht im Griff haben. Man könne sie nicht unterdrücken, dann würden sie zum Wasserball und kämen immer wieder hoch, aber man könne sie und ihre Entstehung beobachten.

„Angenommen, ich bekäme jetzt weniger neue Klienten als sonst, dann kann ich mir denken, das geht bestimmt so weiter, nächstes Jahr bin ich bestimmt arbeitslos“, sagt Vogel. „Ich könnte dann weiterdenken: Es war eh klar, dass das passieren wird, denn mein Job macht mir viel zu viel Spaß, und was Spaß macht, kann keine richtige Arbeit sein.“

Was dann entstehe, sei Angst. Und sicher, Angst könne ein Antrieb sein, sich besonders viele neue Ziele zu stecken, um in kurzer Zeit über sich hinauszuwachsen. Aber es sei nie gut, in einer starken Emotion gefangen zu sein. Gesünder wäre es, sich, während man all das denkt, zu beobachten. Zu denken, das ist interessant, dass ich all das denke, ich könnte aber auch, genau jetzt in diesem Moment, etwas anderes denken.

In Lea Vogels Fall zum Beispiel, dass sie bald einen Anruf mit einem richtungweisenden neuen Auftrag erhalten werde und genießen sollte, dass nun gerade Sommerloch sei.

Ein Tipp, den sowohl Stahl als auch Vogel all ihren Klienten geben, ist es, sich zu loben. Für banale Dinge. Gerne auch schriftlich. Um Demut gegenüber dem eigenen Leben, der eigenen Existenz und nicht zuletzt auch gegenüber dem eigenen Handeln zu entwickeln. Um langfristig freundlicher zu sich zu werden.

Stahl sagt, Coachings und Selbsthilfebücher funktionieren für Neurotiker und für leicht im Selbstwert gestörte Menschen, schwerer wiegenden Fällen sei immer zu einer Therapie geraten. In jedem Fall aber braucht das Erlernen eines neuen Umgangs mit sich Zeit.

Coaching-Versprechen à la „In 30 Tagen selbstbewusst“ sei eher zu misstrauen, sagt auch Lea Vogel.

Sicher gäbe es Menschen, die, wenn sie wirklich mitarbeiteten, innerhalb von sechs Coaching-Treffen ihr Leben ändern könnten. Es gäbe aber auch viele, die das Coaching genössen und blieben.

Im Unterschied zu einer Therapie ist der Austausch mit einem Coach persönlicher. Er baut einen auf, er motiviert und feuert einen an. Auf das weißflorige Feld hinaus muss jeder allein.


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