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das feministische googeln nach dem "admirador" ...

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Eugen Gomringer (93) ist Begründer der Konkreten Poesie. An seinem Gedicht "Avenidas" stören sich Feministinnen. Foto: Thomas F. Starke | WB



Vom Gewicht der Worte

In Bielefeld verteidigt Eugen Gomringer sich und sein Gedicht »Avenidas« gegen Vorwürfe

Von Andreas Schnadwinkel | WB

Eugen Gomringer ist überzeugt. Wenn die Debatte über sein – aus Sicht radikaler Feministinnen sexistisches – Gedicht »Avenidas«, das im Herbst von der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf verschwinden soll, ein Gutes hat, dann das: »Der Wert der Lyrik wird höher geschätzt.«

In der Bielefelder Stadtbibliothek verteidigte Gomringer am Dienstagabend seine spanischen Zeilen über Alleen, Blumen, Frauen und einen Bewunderer. »Ich glaube nicht, dass dieses einfache spanische Gedicht Frauen zu nahe tritt. Ich war selbst erstaunt über die Forderung, das Gedicht zu entfernen«, sagte der 93-Jährige.

Der Protagonist der Konkreten Poesie – darunter versteht man die Wechselwirkung zwischen Lyrik und Bildender Kunst – sprach auf Einladung der Literarischen Gesellschaft OWL und des Bielefelder Kunstvereins über »Demokratie – Correctness – Lyrik – Kunst«. Der in Bolivien geborene Schweizer machte seine Ausführungen an der Diskussion über sein skandalisiertes Gedicht fest, das er 1952 verfasst hatte und das sechs Jahre lang unbehelligt auf der Berliner Hauswand stand.

Bis eine Studentin »Admirador« googelte und herausfand, dass es »Bewunderer« bedeutet. »Dieser Bewunderer ist offenbar der Schrecken der Studentinnen dieser Hochschule«, sagte Gomringer und berichtete von einem Kontakt mit der Studentin, die ihm ihr »unangenehmes Bauchgefühl« beschrieb – angesichts des »Bewunderers«. Der Vorwurf: Dieser Mann betrachtet, beobachtet und beurteilt Frauen. »Viele Frauen haben mir geschrieben, dass sie bewundert werden wollen«, meinte Gomringer und bekannte offen: »Man kann sich als Lyriker nicht darauf einlassen, Fehltritte vermeiden zu müssen. Ich kann mich nicht an Political Correctness halten. Diese Correctness ergibt sich aus einer Vorstellung, was links und rechts, oben und unten ist.«

Auch seine Frau und seine Tochter hätten entrüstet auf die Kritik und die Vorwürfe reagiert. Gomringers Frau Nortrud, die ihn nach Bielefeld begleitete, sagte unter Beifall: »Nun gut, dann habe ich halt einen Sexisten zu Hause.«

Als er »Avenidas«, das 1953 in dem Gedichtband »Konstellationen« erstmals veröffentlicht wurde, vorlas und die Entstehungsgeschichte erläuterte, war Gomringer ganz in seinem Element. Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war er als Student der Universität Bern durch Europa gereist und auch nach Barcelona gekommen. »Dort entstand bei mir das Bild der Alleen, Blumen und Frauen, das ich in eine neue Sprache übertrug.« Sein Ansatz als Vertreter der Konkreten Poesie: Wörtern verschiedener Sprachen eine Struktur geben.

Gomringer gab ein Beispiel mit den Wörtern Baum, Kind, Hund, Haus. »Ich bin in meiner Weltsicht noch nicht weiter gekommen als diese vier Wörter. Sie sagen mir alles.« Auf Anfrage bei ihm und nur mit ausdrücklicher Erlaubnis dürfen seine Gedichte an Fassaden geschrieben werden. So geschehen im Bielefelder Westen, wo »Avenidas« an einer Hauswand zu lesen ist.

Die Aufregung um seine Zeilen möchte er hinter sich lassen und sich verstärkt Sonetten widmen: »Das ist meine neue Phase.« Gomringer wird im Januar 94.

WESTFALEN-BLATT Nr. 147, Donnerstag, 28.Juni 2018, S. 24

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Dies ungefähr scheint mir das innere Bild - die innere "Vorlage" - Gomringers zu seinem Poem "avenidas" zu sein - so wie ich es hier skizziere: ein Bummel über die Ramblas in Barcelona - verfasst 1952 - veröffentlicht 1953 ... Damals ist der heute fast 94-jährige Autor 28 Jahre alt ... - als das "Bewundern" von Frauen  von Ferne - ohne jede "Übergriffigkeit" - als "Kopfkino" - noch durchaus zum 'political correctness' zählte ... - 

Und noch eins: es ging Eugen Gomringer in der "Konkreten Poesie" gar nicht so sehr um eine reale Bildbeschreibung - vielmehr achtete er auf den auch "graphischen" Rhythmus der Zeilen zueinander - und - wie er es in Berlin erläuterte: auf die für ihn interessante Stellung und Aufeinanderfolge des "y" als Zeichen - als graphisches Element, als Letter und Metapher - im spanischen Text ... - also auch ein 28-jähriger Mann achtet nicht ausschließlich auf weibliche Attribute - ich hoffe das unschuldige "y" ist da über jeden verdacht erhaben ... 👴 S!


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