Hardy Krüger
"Ich war als Nazi erzogen worden"
Ein älterer Schauspielkollege hat Hardy Krüger als Fünfzehnjährigen davor bewahrt, ein Nazi zu werden.
Von Ijoma Mangold | ZEITMAGAZIN NR. 31/2018 | 25. JULI 2018
ZEITmagazin Herr Krüger, 1941 wurden Sie auf die Ordensburg in Sonthofen geschickt, eine sogenannte Adolf-Hitler-Schule. Sie waren 13 Jahre und sollten dort ein Elite-Nazi werden. Wie stellten Sie sich damals Ihre Zukunft vor?
Hardy Krüger: Ich wollte Gauleiter von Moskau werden oder so.
ZEITmagazin Sie waren begeistert?
Krüger: Ja, meine Eltern waren beide in der Partei, ich war als Nazi erzogen worden. Ich war stolz, dass sie mich auf der Ordensburg angenommen hatten. Als ich allerdings dort war, war ich nicht mehr so froh. Denn diese herrische, grausame Jugend, die sich Hitler wünschte, war nichts für mich. Über der Schultür in Sonthofen stand, das Raubtier solle wieder aus den Augen der Jugend blitzen.
ZEITmagazin Warum wollten Sie keines sein?
Krüger: Ich hatte nichts Grausames in mir. Ich habe meine Mutter geliebt, so einen nannte man Muttersöhnchen. Und ich war auch in diesem militärischen Dienst nicht gut, der auf der Ordensburg eine große Rolle spielte.
ZEITmagazin Was machte man da sonst noch?
Krüger: Ich hatte immer zwei Wünsche für mein Leben: Fliegen und Schreiben. Kaum war ich in Sonthofen, wurden Freiwillige fürs Segelfliegen gesucht. Da war ich überglücklich.
ZEITmagazin Ein Nazi blieben Sie gleichwohl nicht lange, wie Sie in Ihrem Buch Was das Leben sich erlaubt erzählt haben. Diese Zeit beschäftigt Sie intensiv bis heute, sie ist Ihr Lebensthema.
Krüger: Dass ich kein Nazi wurde, verdanke ich anderen. Der wichtigste Mensch in meinem Leben war der Schauspieler Hans Söhnker, weil der den Mut besaß, einem Adolf-Hitler-Schüler zu sagen, dass sein Halbgott ein Verbrecher ist. Und dass der Krieg verloren ist.
ZEITmagazin Warum zog er Sie ins Vertrauen?
Krüger: Ich weiß es nicht.
ZEITmagazin Wie lernten Sie ihn kennen?
Krüger: Im Sommer 1943 durfte ich als Jugendlicher in dem Nazi-Propaganda-Film Junge Adler mitspielen. In der Halle nebenan in Berlin-Babelsberg drehte Helmut Käutner Große Freiheit Nr. 7, und in meinen Drehpausen bin ich rübergerannt und habe Söhnker und Hans Albers zugeguckt. Der Söhnker bemerkte meine Begeisterung. Ich war 15, sah aber aus wie 12. Er wollte immer einen Sohn haben, den hat er aber nicht gekriegt. Dann hat er sich mit mir unterhalten, und irgendwie fand er, dass er mir vertrauen kann. Er erzählte jüdische Witze und machte sich über Goebbels lustig. Dabei hätte ich ja zur Gestapo laufen können.
ZEITmagazin Wie reagierten Sie auf ihn?
Krüger: Als er mir sagte, dass Hitler ein Verbrecher sei und dass der Krieg verloren sei, war ich erst mal verwundert. Aber er erklärte mir alles.
ZEITmagazin Wie lange führten Sie solche Gespräche?
Krüger: Bei der Ufa wurde immer extrem langsam gedreht, weil ja keiner eingezogen werden wollte, also hatte Söhnker sechs Monate Zeit, aus einem Adolf-Hitler-Schüler einen Anti-Nazi zu machen. Wir sprachen auch über die Konzentrationslager. Da war er sehr gut informiert. Von Söhnker war im Untergrund bekannt, dass er Juden in seinem Landhaus versteckte und dann über Konstanz in die Schweiz brachte. Wurde mal jemand aus einem KZ entlassen, wendeten sich solche Leute oft an Söhnker und berichteten, wie die Insassen dort behandelt wurden. Was er von den Häftlingen erfuhr, gab er an mich weiter. Ich habe meine Eltern sehr geliebt, aber Söhnker wurde ein bisschen mein Ersatzvater.
ZEITmagazin Warum vertrauten Sie ihm?
Krüger: Nun, er hat das schon auch sehr geschickt gemacht. Ich kannte ja keine Mädchen, in Sonthofen gab es auch gar keine. Also lud er Mädchen ein, und wir gingen ins Kino. Ich fand die Mädchen alle wunderbar. Und Söhnker sagte zu mir: "Schau dir die Frauen genau an, schau, welche Klasse hat, und behandle sie respektvoll, denn Frauen sind etwas Herrliches!" Ich war damals 15, er muss 50 gewesen sein. Nun, es lief darauf hinaus, dass ich mich entscheiden musste: Wem vertraust du? Den Eltern? Den Erziehern auf der Ordensburg? Ich habe mich für Söhnker entschieden, weil er so liebenswürdig und ungewöhnlich war.
ZEITmagazin Haben Sie mit Ihren Eltern darüber geredet?
Krüger: Um Gottes willen, nein! Ich wusste ja nicht, wie mein Vater darauf reagieren würde. Wenn mein Vater von Hitler schwärmte, habe ich nicht widersprochen. Fortan führte ich ein Doppelleben.
ZEITmagazin Haben Sie Söhnker nach dem Ende des Kriegs wiedergesehen?
Krüger: Ja, es war nicht einfach, sich in den Wirren der Nachkriegszeit zu finden. 1946 gelang es. Söhnker hatte damit gerechnet, dass ich gefallen war, und war überglücklich, mich lebend zu sehen.
Das Gespräch führte Ijoma Mangold.
"Ich war als Nazi erzogen worden"
Ein älterer Schauspielkollege hat Hardy Krüger als Fünfzehnjährigen davor bewahrt, ein Nazi zu werden.
Von Ijoma Mangold | ZEITMAGAZIN NR. 31/2018 | 25. JULI 2018
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ZEITmagazin Herr Krüger, 1941 wurden Sie auf die Ordensburg in Sonthofen geschickt, eine sogenannte Adolf-Hitler-Schule. Sie waren 13 Jahre und sollten dort ein Elite-Nazi werden. Wie stellten Sie sich damals Ihre Zukunft vor?
Hardy Krüger: Ich wollte Gauleiter von Moskau werden oder so.
ZEITmagazin Sie waren begeistert?
Krüger: Ja, meine Eltern waren beide in der Partei, ich war als Nazi erzogen worden. Ich war stolz, dass sie mich auf der Ordensburg angenommen hatten. Als ich allerdings dort war, war ich nicht mehr so froh. Denn diese herrische, grausame Jugend, die sich Hitler wünschte, war nichts für mich. Über der Schultür in Sonthofen stand, das Raubtier solle wieder aus den Augen der Jugend blitzen.
ZEITmagazin Warum wollten Sie keines sein?
Krüger: Ich hatte nichts Grausames in mir. Ich habe meine Mutter geliebt, so einen nannte man Muttersöhnchen. Und ich war auch in diesem militärischen Dienst nicht gut, der auf der Ordensburg eine große Rolle spielte.
ZEITmagazin Was machte man da sonst noch?
Krüger: Ich hatte immer zwei Wünsche für mein Leben: Fliegen und Schreiben. Kaum war ich in Sonthofen, wurden Freiwillige fürs Segelfliegen gesucht. Da war ich überglücklich.
ZEITmagazin Ein Nazi blieben Sie gleichwohl nicht lange, wie Sie in Ihrem Buch Was das Leben sich erlaubt erzählt haben. Diese Zeit beschäftigt Sie intensiv bis heute, sie ist Ihr Lebensthema.
Krüger: Dass ich kein Nazi wurde, verdanke ich anderen. Der wichtigste Mensch in meinem Leben war der Schauspieler Hans Söhnker, weil der den Mut besaß, einem Adolf-Hitler-Schüler zu sagen, dass sein Halbgott ein Verbrecher ist. Und dass der Krieg verloren ist.
ZEITmagazin Warum zog er Sie ins Vertrauen?
Krüger: Ich weiß es nicht.
ZEITmagazin Wie lernten Sie ihn kennen?
Krüger: Im Sommer 1943 durfte ich als Jugendlicher in dem Nazi-Propaganda-Film Junge Adler mitspielen. In der Halle nebenan in Berlin-Babelsberg drehte Helmut Käutner Große Freiheit Nr. 7, und in meinen Drehpausen bin ich rübergerannt und habe Söhnker und Hans Albers zugeguckt. Der Söhnker bemerkte meine Begeisterung. Ich war 15, sah aber aus wie 12. Er wollte immer einen Sohn haben, den hat er aber nicht gekriegt. Dann hat er sich mit mir unterhalten, und irgendwie fand er, dass er mir vertrauen kann. Er erzählte jüdische Witze und machte sich über Goebbels lustig. Dabei hätte ich ja zur Gestapo laufen können.
ZEITmagazin Wie reagierten Sie auf ihn?
Krüger: Als er mir sagte, dass Hitler ein Verbrecher sei und dass der Krieg verloren sei, war ich erst mal verwundert. Aber er erklärte mir alles.
ZEITmagazin Wie lange führten Sie solche Gespräche?
Krüger: Bei der Ufa wurde immer extrem langsam gedreht, weil ja keiner eingezogen werden wollte, also hatte Söhnker sechs Monate Zeit, aus einem Adolf-Hitler-Schüler einen Anti-Nazi zu machen. Wir sprachen auch über die Konzentrationslager. Da war er sehr gut informiert. Von Söhnker war im Untergrund bekannt, dass er Juden in seinem Landhaus versteckte und dann über Konstanz in die Schweiz brachte. Wurde mal jemand aus einem KZ entlassen, wendeten sich solche Leute oft an Söhnker und berichteten, wie die Insassen dort behandelt wurden. Was er von den Häftlingen erfuhr, gab er an mich weiter. Ich habe meine Eltern sehr geliebt, aber Söhnker wurde ein bisschen mein Ersatzvater.
ZEITmagazin Warum vertrauten Sie ihm?
Krüger: Nun, er hat das schon auch sehr geschickt gemacht. Ich kannte ja keine Mädchen, in Sonthofen gab es auch gar keine. Also lud er Mädchen ein, und wir gingen ins Kino. Ich fand die Mädchen alle wunderbar. Und Söhnker sagte zu mir: "Schau dir die Frauen genau an, schau, welche Klasse hat, und behandle sie respektvoll, denn Frauen sind etwas Herrliches!" Ich war damals 15, er muss 50 gewesen sein. Nun, es lief darauf hinaus, dass ich mich entscheiden musste: Wem vertraust du? Den Eltern? Den Erziehern auf der Ordensburg? Ich habe mich für Söhnker entschieden, weil er so liebenswürdig und ungewöhnlich war.
ZEITmagazin Haben Sie mit Ihren Eltern darüber geredet?
Krüger: Um Gottes willen, nein! Ich wusste ja nicht, wie mein Vater darauf reagieren würde. Wenn mein Vater von Hitler schwärmte, habe ich nicht widersprochen. Fortan führte ich ein Doppelleben.
ZEITmagazin Haben Sie Söhnker nach dem Ende des Kriegs wiedergesehen?
Krüger: Ja, es war nicht einfach, sich in den Wirren der Nachkriegszeit zu finden. 1946 gelang es. Söhnker hatte damit gerechnet, dass ich gefallen war, und war überglücklich, mich lebend zu sehen.
HARDY KRÜGER90, ist in Berlin geboren. Im Frühjahr 1945 kam er als Soldat an die Westfront. In den Fünfzigerjahren wurde er ein Filmstar, er spielte auch in Hollywoodproduktionen. Heute ist Krüger Schriftsteller, zuletzt erschien von ihm "Ein Buch von Tod und Liebe"
Das Gespräch führte Ijoma Mangold.
das gibt es auch - rettung - auch wenn man sich verrannt hat, ohne es zu wissen. da kann ein alter freund die augen öffnen - und auf die gute seite des lebens führen.
solange ich lebe gab und gibt es immer hardy krüger - auf der kinoleinwand - in afrika bei einem 13 jahre währenden hotel- und farmabenteuer dort - ein für mich immerlebender tausendsassa mit strahlend blauen augen, die immer gleich jung bleiben. S!