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S!|art: herta müllers schreibhemmung |
Angst vor dem Schreiben
65. Geburtstag: Herta Müller ist mit Auskünften über sich zurückhaltend
Von Nada Weigelt
Wohl kaum jemand hat die Grauen einer Diktatur so schonungslos und zugleich poetisch beschrieben wie Herta Müller. Sie zeichne „Landschaften der Heimatlosigkeit“, befand die Jury, die ihr 2009 den Literaturnobelpreis zusprach. Heute wird die rumäniendeutsche Autorin 65 Jahre alt. Nach den Erfahrungen im Ceausescu-Regime ist der Kampf gegen Unterdrückung, der Einsatz für Freiheit und Menschenrechte ihr wichtigstes Anliegen geblieben.
S!|art nach einem Foto von Soeren Stache | dpa
Einen neuen Roman hat die Autorin seit ihrem Meisterwerk „Atemschaukel“ 2009 und dem Literaturnobelpreis im selben Jahr nicht mehr vorgelegt. „Sie hat Angst vor dem Schreibprozess“, sagt ihr früherer Mann, der Schriftsteller Richard Wagner, in einem der raren TV-Porträts, für das sich Müller 2014 dem Bayerischen Rundfunk öffnete. Und der Autor und langjährige Freund Ernest
Wichner ergänzt: „Sie schreibt nur, wenn sie sich nicht mehr zu helfen weiß.“
Müller selbst ist trotz ihres Ruhms mit Auskünften über sich zurückhaltend; auch zu ihrem Geburtstag lässt sie sich nicht zu einem Interview überreden. Stattdessen widmet sie sich zunehmend der heiter-subversiven Schnipsel-Poesie. Das sei die sinnlichste Form des Schreibens, sagt sie. Mit Schere und Klebstoff entstehen aus einzelnen ausgeschnittenen Wörtern poetische Collagen.
Neue Westfälische, Kultur/Medien, Freitag, 17.August 2018 - Nr. 190/33
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collagen-gedicht aus: herta müller | vater telefoniert mit den fliegen, hanser 2012 |