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Heinz Braun - Ausstellung in Fürstenfeldbruck

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Faschingsprinz, 1978 - Selbstbildnis: FOTO: braunheinz.de

Die Kühe, die Wolken, der Trost

Das blasphemisch-barocke Werk von Heinz Braun in Fürstenfeldbruck

Von Willi Winkler | Süddeutsche Zeitung - 11.12.2018 - Feuilleton - S.9


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Achternbuschs zweieiiger Zwilling: Der Autodidakt Heinz Braun trug Briefe aus, bis er sich pensionieren ließ, um mit viel Farbe und auf Papier Werke wie „Drücken“ (1984) zu malen. FOTO: heinzbraun.de







Der frühe Tod hat ihn um die Girlanden gebracht, die sie ihm zum Siebzigsten, zum Achtzigsten alle gewunden hätten, Jubel-, Frucht-und Blumenstücke von der Abendzeitung bis ins Fernsehen,  Akademieehrungen sonder Zahl, und in der Residenz, da hätte sich der Staat bei seinem ehemaligen Diener nicht lumpen lassen, wäre ihm bestimmt der Bayerische Verdienstorden an die breite Brust geheftet worden. Der Maler Heinz Braun, der in diesem Jahr achtzig geworden wäre, hat den Weg zum allfälligen Ruhm aber vermieden und ist vorsorglich schon 1986 gestorben: Krebs.



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Im Hacketal, 1985


Vom Sterben und vom Leben davor handeln seine Bilder. „Im Hacketal“ heißt eins seiner schönsten, aber wer es nicht weiß, ahnt nichts Böses, nicht das Böse, das in diesem blumenreichen Tal blüht. Ein Kruzifix zerteilt das Bild diagonal, die Wunden, von Nägeln geschlagen, bluten gehörig, demütig steht Maria unterm Kreuz, und statt der anderen Leidtragenden bleckt eine Kuh die Zunge gegen den Gekreuzigten.

Blasphemie? Nein, reinstes Barock, eine Vanitas-Allegorie, wenn es je eine gab, denn in der Klinik des Julius Hackethal suchte Braun Heilung, zahlte, was der gute Doktor verlangte, und malte dafür um sein Leben.
Es ist das perfekte Idyll, also das Grauen.
Das Museum Fürstenfeldbruck, das jetzt in einer großen Ausstellung Brauns Bilder zeigt, steht gleich neben der Klosterkirche Mariä Himmelfahrt. Gegründet wurde das Kloster 1263, weil Ludwig II. von Bayern, nicht der sogenannte Märchenkönig, sondern der mit dem Beinamen "der Strenge", in einem Eifersuchtsanfall seine Frau, die wunderschöne Maria von Brabant, abstechen ließ wie eine Sau.

Damit ihm der Papst verzieh, stiftete der Herzog das Kloster, Johann Georg Ettenhofer baute im 18. Jahrhundert die dazugehörige Kirche, die Brüder Asam gaben ihr all die Pracht, mit der Kunst mit dem Leben versöhnen kann. Es ist ein die Herzen erhebender Rokoko-Traum in Weiß und Gold, ein einziger Engelschor, und über dem Altar eine himmelwärts strebende Maria.

Braun war von der Schule zur Post gegangen, wurde Briefträger in der gottverlassenen Münchner Schlafvorstadt Germering, ganz ohne Hulot’sche Ambition zunächst und vorschriftsmäßig verheiratet.

Auf einem Foto im Katalog betrachtet er seinen Neugeborenen mit dezentem Reihenhausstolz.

Glück heißt das sonst, und doch macht ihn die tägliche Arbeit, der Dienst am Dienstfahrrad und am pünktlich auszuliefernden Quelle-Paket, todunglücklich.

Nach 28 Jahren Fron kündigte er und wurde ganz und gar Maler.
Maler war er schon immer gewesen.
In den Hungerjahren nach dem Krieg
zeichnete er sich Brot oder einen Apfel
naturgetreu aufs Papier
und fraß das Papier dann auf.
Zur reinen Kunst hatte Braun zunächst ein demütiges Verhältnis, bewunderte die alten wie die neuen Meister, malte sie ab in der Pinakothek, dafür zahlten die Händler reelle Preise, saubere Arbeit, doch für ihn war es bald „Beamtenkunst“ und nichts mehr wert.

Die frühen Versuche, mit denen die Ausstellung beginnt, zeigen ihn beim Durchschreiten vieler Formen, fantastische Landschaften nach Ernst Fuchs, ein bisschen fotorealistisch eine Bildzeitung abgestrichelt wie Gerhard Richter, unbedingt documenta-tauglich, aber nichts Gescheites. In den Biergarten von Adolph Menzel setzt er sich und seinen Entdecker Herbert Achternbusch, nur vertauscht sind sie: flammenhaarig der Achternbusch im Zentrum, Braun seitlich mit Hut im grimmigen Profil, den Zigarillo im Mund, die rechte Hand gespannt am Gürtel und die Frage: Wann beginnt endlich das Leben? Spät. Der Film half, Achternbuschs „Andechser Gefühl“. Anders als Braun war der Freund kein Autodidakt, er hatte die Akademie besucht und war schon fast wer in der Kunst.

1972, als sie sich fanden, hatte er bereits sechs Bücher bei Suhrkamp veröffentlicht, wollte aber unbedingt Filme machen, bayrische Marx-Tragödien (nach dem Evangelium des Hl. Groucho), also Achternbusch-Komödien. Heinz Braun wurde sechs Filme lang sein zweieiiger Zwilling. So nah kamen sie sich im Spielen und Ausschnapsen, dass keiner mehr weiß, wer von beiden auf den Aphorismus gekommen ist, der von Rechts wegen unter jedem bayrischen Amtsstubenkruzifix stehen müsste:
„Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe so lange, bis man ihr das anmerkt.“
Aus der Gegend macht der Malerpoet Braun wieder eine Landschaft, erschafft Bayern neu, stellt sich mitten hinein in seiner ganzen Kraftlackllänge. Auf einmal ist Pleinair in Oberbayern möglich: die Kühe, die Wolken, der Trost, den nur ein leerer Biergarten bietet. Der Wildling ist endlich losgelassen, dabei steht er ganz konzentriert an traditionellen Künstlerorten vor der Staffelei, in Feldafing, in Dachau, natürlich auch in Bernau am Chiemsee bei Hackethal, wo er rausgeworfen wird, weil die teureren Patienten den Geruch der Kuhscheiße nicht ertragen wollen, mit der er gelegentlich seine Farben mischen musste, damit sie die richtigen Pigmentierung erhielten.

Porträts sind auch dabei, der junge Bierbichler, Haindling, die Mutter, der Sohn, die Frauen, die sein Genie erkannten. „Als der Riese Heinz Braun die Küche betrat, war die Küche voll“, erzählt die Schauspielerin Cleo Kretschmer. Wenn er lachte, klirrten die Gläser in der Vitrine. Der Krebs erst fällte ihn, aber ganz kriegte er ihn doch nicht. Es war doch eine schreiende Ungerechtigkeit: Da hatte er sich pensionieren lassen, und wurde doch nur krank, der Krebs nahm ihm das Leben, das er endlich gefunden hatte. Denn jetzt zeigte sich, dass er die katholische Bildsprache mit ihrem Hang zum drastischen Leiden aus dem Effeff beherrschte, wenn er es mit seinem eigenen verband.

In Selbstporträts, um die ihn Lovis Corinth beneidet hätte, gern mit ehrlich erworbenem Bierbauch, kahl geworden von der Chemotherapie, im erinnerten Glück am Tisch unter einer blühenden Kastanie, erreicht Braun zuletzt seine Unverwechselbarkeit.

Da gibt es keine alten Meister mehr, kein Gedanke an die Düsseldorfer Kunstbrüder, das ist alles nur mehr er, das ist sein eigner grundkatholischer Expressionismus.
Heinz Braun malte, wie Joseph Beuys gemalt hätte, wenn er malen hätte können.
Und doch erschließt sich dieses Ausnahmewerk erst in der Zusammenschau mit der sinnlos heiteren Pracht der Kirche daneben. 1790, als die Innenausstattung von Mariä Himmelfahrt vollendet ist, schreibt der große Wortmaler Jean Paul über den großen Heinz Braun (oder könnte ihn doch gemeint haben): „Ihr erbleichenden Bilder mit Erdfarben, ein zitternder Widerschein des Lebens“ und fährt mit diesem Trostwort fort: „Wir sind wankende Schatten und doch zerreißet ein Schatten einen andern.“Wie es zugeht bei diesem Zerreißen, und wie sich momentweis doch eins zum andern fügt, das zeigt die Ausstellung „Ein Eigener sein“ in Fürstenfeldbruck gleich neben der Kirche Mariä Himmelfahrt, vier Streifen mit der S-Bahn aus München heraus und auch sonst jeden Umweg wert.

WILLI WINKLER

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Die Schauspielerin Cleo Kretschmer erinnert sich an einen „Riesen“. Heinz Braun bei Filmarbeiten in Island im Jahr 1978. FOTO: braunheinz.de



  • Ein Eigener sein. Leben und Werk des Heinz Braun (1938 – 1986). Museum Fürstenfeldbruck. Bis 28. April 2019. Katalog 18,90 Euro.

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click here: www.braunheinz.de - mit umfangreichem werkverzeichnis


malen gegen den eigenen tod - das war die hauptmotivation von heinz braun, der trotzdem schon mit 48 jahren sterben musste an kehlkopfkrebs ...

heinz braun war wohl ein riese aus echtem urgestein, der eigenwillig und ungelenk seine werke hastig fertigstellte: er hatte ja nicht viel zeit ... - und gerade seine autodidaktische spontane herangehensweise, mit kuh-a-a als farbpigment, machen ja sein werk unverwechselbar.

einige bilder erinnern an anselm kiefer (z.B. "acker im märz") - andere an francis bacon (z.b. "am wörthsee") und wurde auch zu den "neuen wilden" gezählt mt seiner expressiven malweise, die er draußen bei wind und wetter ausführte ...

also für mich ist das ein echter hingucker ...



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