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hundstage

der selige schlaf der gerechten

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Bitte nicht stören

Die Protestanten hielten Schlaf für Zeitvergeudung. Dabei ist das Wegschlummern ein Zeichen für Gottvertrauen. Eine Einladung ins Reich der Träume

Von Petra Bahr | CHRIST & WELT | Nr. 31 - 26.Juli 2018

Endlich ausschlafen!« – Das Reich der Träume ist das Lieblingsurlaubsziel der Deutschen, es kommt noch vor Strand, Bergen und fernen Ländern. Vielleicht ist es sogar das Fernste aller Länder, ein Sehnsuchtsort wie eine Utopie, ein Ort ohne Weckergeklingel am Morgen und Mittagsmüdigkeit, die auch nach drei Tassen Kaffee nicht verschwinden will, um dann abends gegen sämtliche Tricks medizinisch empfohlener Einschlafhilfen zu verlieren. Der Dämmerzustand zwischen Körperschwere und Geistesleichtigkeit, sorglos, gedankenlos – diese Insel der Seligen ist das Luxusresort, in dem sich aufzuhalten Reisende nicht mit Geld kaufen können. Wohl dem, der ein leichtes Entree darin findet.

Schlaf ist kostbar geworden. Ein Geheimnis war er schon immer und als solcher Gegenstand literarischer und philosophischer Spekulationen. Längst wird er nicht mehr nur besungen und bedichtet. Der Schlaf, auch der vergeblich gesuchte, wird vermessen und erforscht.

Schlafforscher und Medizinerinnen versuchen ihm auf den Grund zu kommen, die einen, um das Menschheitsrätsel zu lösen, die anderen, um ihn zu kontrollieren und zu verbessern. Uhren am Handgelenk zeigen nicht mehr nur die Stunde, sondern auch die Schlafphasen an und vermessen die Güte des Nachtschlafs. In den schicken neuen Unternehmen ist plötzlich »Powernapping« angesagt, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu steigern.

Dabei schien es lange so, als ob die Moderne dem Schlaf den Krieg erklärt hätte. Mit der Erfindung der 24-Stunden-Tage muss auch der Nachtschlaf ein Maß bekommen, das auf Effizienz ausgerichtet ist: genau so viel Regeneration von Körper und Geist, wie nötig ist, um wach und kräftig das Tagwerk zu beginnen, das schien das Ideal zu sein.

Es wundert deshalb nicht, dass Thomas Alva Edison die Glühbirne erfand, weil er den Schlaf als Zeitverschwendung empfand. »Den Seinen gibt’s der Herr statt Schlaf« lautete seine Verdrehung eines alten Psalmwortes. Ein paar Stunden mehr am Abend sollten die Produktivität und den Ideenreichtum des Erfinders verdoppeln. So hat er ein wirksames Mittel gegen den vorzeitigen Nachtschlaf geschaffen, das heute als »Licht-Vermüllung« in weiten Teilen der Welt Einschlafschwierigkeiten bereitet. Es ist einfach nicht mehr dunkel genug. Vor allem der Tagschlaf geriet seit der Rhythmisierung der Zeit durch die Stundenlogik unter Verdacht.

Kindern und Alten wird das Nickerchen noch zugestanden. Für alle anderen gilt: Zu viel Schlaf macht dumm und träge. Wer bis tief in die Nacht arbeitet, kann morgens mit seinen Augenringen protzen. »Wieder so viel zu tun.« Nichts gegen eine durcharbeitete Nacht, ab und zu. Ihr wohnt ein eigener Zauber inne. Tagträumer haben, wenn es gut für sie läuft, noch den Nimbus des Künstlerischen auf ihrer Seite, alle anderen sollen sich gefälligst zusammenreißen oder bekommen schon als Kinder eine Diagnose. Wachsein ist das Zeichen für Schaffenskraft und Lebensenergie.

Daran ist das christlich geprägte Arbeitsethos nicht unschuldig. »Wachet und betet«, diese Aussage Jesu im nächtlichen Garten Gethsemane kurz vor seiner Auslieferung an die Römer, die eigentlich eine Freundschaftsbitte in tiefster Verzweiflung ist, wird zu einer Art Anweisung zum christlichen Leben. Das allfällige Mittagsschläfchen wird so umschrieben, dass noch der Anflug des Tätigseins daraus wird. Der Herr Vater »zieht sich zur Beratung zurück«, und der Rest der bürgerlichen Familie hat leise zu sein. Ein unausgesprochener Komment, der aus der Tiefe der Geschichte des evangelischen Pfarrhauses kommt. Ob sich auch die Pfarrfrau dann und wann für ein paar Minuten auf ein Bett zurückziehen durfte, ist nicht bekannt.

Wachsein wird zu einem Synonym für Gottesfurcht und tätige Nächstenliebe. Mit dem »Wächteramt der Kirche« und dem steten Aufruf zur Wachsamkeit gegenüber Teufel und Zeitgeist kommt das Missverständnis heiliger Schlaflosigkeit sogar in die christliche Sozialethik. Dabei wird in der Bibel viel geschlafen. Propheten legen sich erschöpft in die Mittagshitze und Könige zu der Frau des Nachbarn. Die Immermüden, die nachts vom Alb verfolgt werden, denen Sorgen und Zukunftsangst den Zugang zum Reich der Träume versperren, genauso wie die, denen Gott im Traum erscheint.

Die Nachtgesichter werden zu vielfältigen Stimmen Gottes, die am Morgen eine Richtung weisen, keine Zeitverschwendung, sondern der Moment intimster Gottesnähe im Zustand völligen Ausgeliefertseins. Hier liegt die religiöse Spur zum Schlaf verborgen, die in Schlaflaboren nicht erforscht werden kann: Wer schläft, traut sich was. Schlafende begeben sich willig in den Zustand des Kontrollverlusts. Sie müssen fortan mit allem rechnen, was sich nicht steuern lässt, mit Zuständen völliger Bewusstlosigkeit, mit bösen und mit heiteren Träumen, ja sogar damit, nicht mehr aufzuwachen. Wenn Kinder nicht schlafen können, weil Monster unter dem Bett darauf warten, sie zu ärgern, kommt es zu elterlichen Austreib-Aktionen, zur Not durch Bestseller-Lektüre: »Jedes Kind kann schlafen lernen«. Der Titel ist mehr Beschwörung als Beschreibung, die Monster unter den Betten der Erwachsenen sind nicht so leicht zu vertreiben.

Wer gut schlafen kann, zeigt Gottvertrauen und eine Lebenshaltung, die sich nicht von selbst versteht. »Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf«, singt der Psalmist wie zur Beruhigung, ganz offensichtlich gegen die eigenen Nachtwachattacken. Auch in der Bibel gibt es Protagonisten einer erschöpften Gesellschaft, denen Schicksalsschläge, radikaler Glaubenszweifel oder der Blick in eine düstere Zukunft die nächtliche Erholung ruinieren. Nirgends sonst ist die religiöse Erfahrung, ein tiefes Geborgensein, so körperlich spürbar wie im Schlaf: das vollkommene Vertrauen auf den Schutz Gottes im Dunkel der Nacht, auch im Dunkel der eigenen Seele, verbunden mit der Zuversicht, am nächsten Tag wieder aufzuwachen, das ist so etwas wie die Essenz des Religiösen.

Wer schlaflos ist, hat einen gesteigerten Sinn für die Kontingenz des Seins. Deshalb ist Schlaflosigkeit nie nur ein Fluch, sondern immer auch eine kreative Bewältigung dieses Fluches gewesen, die Stunde düsterer Musen und waghalsiger Gedanken, grandioser Musik und dichter Psalmen. Dabei war es früher längst nicht besser um den Schlaf bestellt, als Nachtgebete noch eine Selbstverständlichkeit waren. Das zeigt die Kulturgeschichte des Schlafs. Das eigene Bett – erst nach dem Zweiten Weltkrieg wird es zu einer Selbstverständlichkeit. Jahrhundertelang schliefen mehrere Menschen in einer Schlafstätte, oft in Schichten, mit rüden Weckmethoden. Die Bilder selig duselnder Menschen unter Bäumen sind nicht umsonst Bilder aus dem Paradies oder dem Schlaraffenland.

Schlaf war immer schon ein Sehnsuchtsort und Schlafentzug ein Grund für zu frühe Sterblichkeit und traurige Gedanken. Der Schlaf als Optimierungsinstrument menschlicher Leistungsbereitschaft gehört zur modernen Industriegesellschaft wie die Armbanduhr, die zeigt, ob man verschlafen hat. Die Methoden der Optimierung haben sich allerdings verfeinert. Gehirnforschung und Motivationspsychologie dringen immer weiter in das Geheimnis des Schlafs ein.

Die allmähliche Wiederentdeckung des Mittagsschlafs als Powernapping ist verräterisch, weil auch der Kurzschlaf am Tag angeordnet, trainiert und evaluiert werden will. Vielleicht liegt das daran, dass immer schon etwas Subversives im unkontrollierten Schlaf lauerte. Wer besonders gut schläft, wenn andere wach sein müssen, macht sich verdächtig. Wer einfach so in den Tag hineindöst, macht nervös oder steckt an wie das Gähnen. Schlafen, wegdämmern, träumen, einfach so, ohne danach kraftvoller und leistungsfähiger zu sein, das wäre eine Unterbrechung der Logik des »Um-zu«.

Wegdriften, Gedanken nachhängen, bis die Augenlider schwer werden, den Möwen lauschen oder dem Singsang einer langweiligen Predigt oder einer Suite von Bach, bis ein wohliger Nebel die Gedanken einhüllt, das ist ein Zustand, der nichts sein will als dieser Zustand. Er hat einen Zweck in sich selbst, wie ein gutes Kunstwerk. Da hilft es natürlich, dass die Schlafforschung längst nachgewiesen hat, wie aktiv Gehirn und Organe sind, wenn der Mensch schläft. In diesem Sinne ist Schlaf eine konzentrierte Arbeitsphase, in der geordnet, gesichtet, priorisiert, vergessen, verwandelt wird. Im Schlaf wird der Geist zum Workaholic. Siehste, sagen die Schlafforscher und die, die endlich gute Argumente für das kleine Schläfchen nach dem Essen brauchen: Wer schläft, ist nicht faul, sondern so effizient, dass die innere und äußere Widerstandskraft zunimmt. Er ist besonders geschickt in der Verarbeitung der Reize. Deshalb richtet sich der Perfektionierungswille auch auf diese Aktivitäten.

Trotzdem bleibt das Verstörende, das Unberechenbare, der Kontrollverlust als Gewinn an Schwerelosigkeit. Die Bilder für diesen Zustand herrlichster Bewusstseinstrübung haben sich geändert, doch immer noch ist dieser Zustand bedeutungsvoll, weil er nichts bedeuten muss. Nicht mal die Träume, an die man sich erinnert, müssen Sinn haben, auch wenn Traumdeuter zu allen Zeiten versucht haben, den Nachtbildern eine Botschaft abzutrotzen.

Deshalb ist dieser Zustand auch ein Angeld auf den Zustand der Erlösung. Vielleicht schläft Jesus darum so oft, dazu auch noch in Situationen, wo äußerste Alarmbereitschaft herrschen müsste. Die berühmteste und unmöglichste Schlaf-Geschichte ist die, als er mit den Jüngern in einen Sturm gerät, mitten auf dem See. Die Jünger schöpfen das Wasser aus dem Kahn und leiden Todesangst, Jesus schläft im Bug des Schiffes. So haben es zahllose Maler dargestellt. Nur: Warum schläft Jesus?

Die meisten Ausleger waren sich einig: Er tut nur so, um die Jünger zu testen. Sie sollen ihm vertrauen, auch gegen den Augenschein und mit Salzwasser im Gesicht. Vielleicht ist es aber auch anders gewesen. So legt es eine Deutung der mystischen Tradition nahe. Jesus schläft, weil er sich in Gott birgt. Ein Zeichen absoluten, waghalsigen Vertrauens. Ohne diesen Schlaf hätte er nicht die Kraft gefunden, den Sturm zu stillen, es ist die Kraft, die aus der Erfahrung völliger Passivität erwächst, die aus sich heraus heilsam ist.

Die Geschichte von Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne als Schlafbekämpfungsmittel, hat übrigens eine fast biblische Pointe. Den Seinen gibt’s der Herr doch nicht statt, sondern im Schlaf. Eines Tages kam nämlich der ähnlich rastlose Autobauer Henry Ford zu Besuch. Der Assistent von Edison eilte zur Tür. »Pssst. Der Meister hält Mittagsschlaf.«







































der moderne mensch ist ja meistens "hellwach" - wenigstes denkt er das - und all diese "naturwissenschaftlichen wahrheiten" sind ja bei wachem zustand notiert und publiziert worden: wir erklären uns diese welt und unsere "umwelt" bis hinauf ins all bei wachem verstand.

aber träume sind nicht nur "schäume": in der bibel passieren viele zwiesprachen und anweisungen im schlaf: den seinen gibt's der herr im schlaf ... und jesus schlief oft, um sich "rat" von seinem "abba" zu holen oder "einfach" mit ihm in kontakt zu kommen.

doch heute überwiegt die meinung: wenn wir nicht alle sinne beisammen haben, zählen unsere erkenntnisse nicht. vielleicht überrascht uns noch das "surreale" bild des salvador dali - und die "traumprotokolle" eines theodor w. adorno - und der schreibt:

"Die Traumprotokolle sind authentisch. Ich habe sie jeweils gleich beim Erwachen niedergeschrieben und für die Publikation nur die empfindlichsten sprachlichen Mängel korrigiert." 

es sind einblicke in die inneren welten eines philosophen, der sein theoretisches denken immer als außerordentlich nah an seinen künstlerischen intentionen empfand ... aber er musste auch erst "wach" werden, ehe er sie notieren konnte.

der moderne mensch klammert in der regel rund ein drittel seines lebens - also die zeiten während des schlafes - als nicht "authentisch" und irreal oder eben bestenfalls als "surreal" aus - und verdrängt und vergisst, was in dieser schlafenszeit mit ihm passiert und wer zu ihm "spricht" - und was er erfährt.

aber: "achtsamkeit" sollte auch unsere schlafenszeit mit einbeziehen - und das kann man trainieren ... - hängen sie ihren träumen im schlaf noch nach - klammern sie die "personen", die "akteure" eher aus - die sind einfach nur rollenträger - es kommt auf die gefühls-situationen an - auf die "stimmungen": sie weisen uns vielleicht wichtige wege für den wachen tag - also: gute nacht - und träumt schön ... -S!

leidensporträt meiner tante erna kronshage - eine klarstellung

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seit 1986 recheriere ich das leidensporträt meiner tante erna kronshage (*1922), die am 20.02.1944 in der nazi-"euthanasie"-vernichtungsanstalt "tiegenhof"/gnesen (polnisch: dziekanka/gniezno - heute polen) ermordet wurde. 
dabei geht es um einen nazi-mord im wust der rund 300.000 geschätzten "euthanasie"-opfer, die anfangs, also ab 1940, geplant und zentral organisiert, vergast wurden - gezielt in 6 dafür hergerichteten vernichtungsanstalten - auch als "training" für den dann später parallel einsetzenden "holocaust", der "shoah" am jüdischen volk.

nach dieser ersten zentral aus berlin gesteuerten "euthanasie"-welle entwickelte sich dann ab spätherbst 1942 eine "wild"verzweigte dezentrale und regional gesteuerte tötungs-hype aller "irgendwie abweichenden charaktere" oder der für den krieg "unbrauchbaren" und "im wege liegenden" menschen und patienten.

da es bei den "euthanasie"-morden um ("volks")deutsche menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher und religiöser zugehörigkeiten ging, mitten aus den familien und milieus herausgerissen, lagen die kriterien insgesamt historisch natürlich etwas anders als beim "holocaust" - ich will das aber hier auch nicht miteinander vergleichen oder irgendwie bewerten: mord ist mord ...

mein "leitbild" vor 30 jahren zu beginn meiner archiv- und literaturforschungen und -aufarbeitungen waren sicherlich getragen von den leitsätzen und dem wollen der "68er"-generation insgesamt, in die ich hineingeboren wurde - und die diese vorkommnisse in der nazi-zeit nicht mehr mit dem mantel des verschweigens zudecken wollte - die die personale mittäterschaft der elterngeneration nicht länger infragestellte.

ich fand also eine allmählich einsetzende sediment-ablagerung dieser rund 300.000 "euthanasie"-opfer vor - und dieses allgemeine - auch politisch-historisch und institutionelle totschweigen all dieser opfer, für die sich kaum eine "gedenk- und erinnerungslobby" stark machte.

aus diesem ablagerungs- und verdrängungs-sediment will ich mit der rekonstruktion und nacherzählung des leidensporträts meiner tante erna kronshage eben einen winzigkleinen krumen herauspuhlen und ihm nachgehen - beispielhaft für die anderen 299.999 - von denen vielleicht bis heute insgesamt 300 - 400 einzelbiografien bekannt und publiziert sind - also gut ein promille.

es geht bei der aufarbeitung dieser leidensporträts nicht um die „kultivierung eines deutschen schuldkomplexes“ (wie die afd das inzwischen bezeichnet) - sondern immer noch um die notwendigen freilegungen längst verdrängter mordtaten an nicht stromlinienförmig zu integrierenden menschen mitten aus familie, verwandtschaft oder nachbarschaft, die man als "unnütze esser" ablehnte und vernichtete, weil deren leistungsfähigkeit nicht den normen einer selbsternannten politisch-ideologisch verkorksten "elite" entsprachen.

und deshalb möchte ich auch den mir nachfolgenden generationen virtuell oder praktisch face to face den kurzen lebensweg erna kronshages näherbringen als exemplarisches beispiel - mit wieviel (mit-)täterschaft und verstrickungen letztlich so ein mord vorsätzlich und doch auch stickum verübt wurde - nicht von einem einzeltäter oder irgendwelchen monstern, sondern kleinteilig fragmentiert - step by step - von einem verirrten regime, von menschen wie du und ich, von verwandten, nachbarn, beamten, ärzten usw. ...


und erschreckend beispielhaft zeigt diese ermordung meiner tante, wie rasch sich das alles - unter ganz anderen prämissen - wiederholen kann.

also lesen und sehen sie - und sagen sie es allen weiter ... - damit aus meiner nacherzählung ihre nacherzählungen werden... sicherlich gibt es dabei neuere pack-enden anzufassen als bei mir, aber wir dürfen all diese opferschaft nicht einfach zum sediment herbsinken und versteinern lassen - sondern jeweils zu fruchtbarem humus umwandeln ... -

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grad noch so davongekommen

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Hardy Krüger

"Ich war als Nazi erzogen worden"

Ein älterer Schauspielkollege hat Hardy Krüger als Fünfzehnjährigen davor bewahrt, ein Nazi zu werden. 

Von Ijoma Mangold | ZEITMAGAZIN NR. 31/2018 | 25. JULI 2018


S!|photobearbeitung - aus einem video-still




ZEITmagazin Herr Krüger, 1941 wurden Sie auf die Ordensburg in Sonthofen geschickt, eine sogenannte Adolf-Hitler-Schule. Sie waren 13 Jahre und sollten dort ein Elite-Nazi werden. Wie stellten Sie sich damals Ihre Zukunft vor?

Hardy Krüger: Ich wollte Gauleiter von Moskau werden oder so.

ZEITmagazin Sie waren begeistert?

Krüger: Ja, meine Eltern waren beide in der Partei, ich war als Nazi erzogen worden. Ich war stolz, dass sie mich auf der Ordensburg angenommen hatten. Als ich allerdings dort war, war ich nicht mehr so froh. Denn diese herrische, grausame Jugend, die sich Hitler wünschte, war nichts für mich. Über der Schultür in Sonthofen stand, das Raubtier solle wieder aus den Augen der Jugend blitzen.

ZEITmagazin Warum wollten Sie keines sein?

Krüger: Ich hatte nichts Grausames in mir. Ich habe meine Mutter geliebt, so einen nannte man Muttersöhnchen. Und ich war auch in diesem militärischen Dienst nicht gut, der auf der Ordensburg eine große Rolle spielte.

ZEITmagazin Was machte man da sonst noch?

Krüger: Ich hatte immer zwei Wünsche für mein Leben: Fliegen und Schreiben. Kaum war ich in Sonthofen, wurden Freiwillige fürs Segelfliegen gesucht. Da war ich überglücklich.

ZEITmagazin Ein Nazi blieben Sie gleichwohl nicht lange, wie Sie in Ihrem Buch Was das Leben sich erlaubt erzählt haben. Diese Zeit beschäftigt Sie intensiv bis heute, sie ist Ihr Lebensthema.

Krüger: Dass ich kein Nazi wurde, verdanke ich anderen. Der wichtigste Mensch in meinem Leben war der Schauspieler Hans Söhnker, weil der den Mut besaß, einem Adolf-Hitler-Schüler zu sagen, dass sein Halbgott ein Verbrecher ist. Und dass der Krieg verloren ist.

ZEITmagazin Warum zog er Sie ins Vertrauen?

Krüger: Ich weiß es nicht.

ZEITmagazin Wie lernten Sie ihn kennen?

Krüger: Im Sommer 1943 durfte ich als Jugendlicher in dem Nazi-Propaganda-Film Junge Adler mitspielen. In der Halle nebenan in Berlin-Babelsberg drehte Helmut Käutner Große Freiheit Nr. 7, und in meinen Drehpausen bin ich rübergerannt und habe Söhnker und Hans Albers zugeguckt. Der Söhnker bemerkte meine Begeisterung. Ich war 15, sah aber aus wie 12. Er wollte immer einen Sohn haben, den hat er aber nicht gekriegt. Dann hat er sich mit mir unterhalten, und irgendwie fand er, dass er mir vertrauen kann. Er erzählte jüdische Witze und machte sich über Goebbels lustig. Dabei hätte ich ja zur Gestapo laufen können.

ZEITmagazin Wie reagierten Sie auf ihn?

Krüger: Als er mir sagte, dass Hitler ein Verbrecher sei und dass der Krieg verloren sei, war ich erst mal verwundert. Aber er erklärte mir alles.

ZEITmagazin Wie lange führten Sie solche Gespräche?

Krüger: Bei der Ufa wurde immer extrem langsam gedreht, weil ja keiner eingezogen werden wollte, also hatte Söhnker sechs Monate Zeit, aus einem Adolf-Hitler-Schüler einen Anti-Nazi zu machen. Wir sprachen auch über die Konzentrationslager. Da war er sehr gut informiert. Von Söhnker war im Untergrund bekannt, dass er Juden in seinem Landhaus versteckte und dann über Konstanz in die Schweiz brachte. Wurde mal jemand aus einem KZ entlassen, wendeten sich solche Leute oft an Söhnker und berichteten, wie die Insassen dort behandelt wurden. Was er von den Häftlingen erfuhr, gab er an mich weiter. Ich habe meine Eltern sehr geliebt, aber Söhnker wurde ein bisschen mein Ersatzvater.

ZEITmagazin Warum vertrauten Sie ihm?

Krüger: Nun, er hat das schon auch sehr geschickt gemacht. Ich kannte ja keine Mädchen, in Sonthofen gab es auch gar keine. Also lud er Mädchen ein, und wir gingen ins Kino. Ich fand die Mädchen alle wunderbar. Und Söhnker sagte zu mir: "Schau dir die Frauen genau an, schau, welche Klasse hat, und behandle sie respektvoll, denn Frauen sind etwas Herrliches!" Ich war damals 15, er muss 50 gewesen sein. Nun, es lief darauf hinaus, dass ich mich entscheiden musste: Wem vertraust du? Den Eltern? Den Erziehern auf der Ordensburg? Ich habe mich für Söhnker entschieden, weil er so liebenswürdig und ungewöhnlich war.

ZEITmagazin Haben Sie mit Ihren Eltern darüber geredet?

Krüger: Um Gottes willen, nein! Ich wusste ja nicht, wie mein Vater darauf reagieren würde. Wenn mein Vater von Hitler schwärmte, habe ich nicht widersprochen. Fortan führte ich ein Doppelleben.

ZEITmagazin Haben Sie Söhnker nach dem Ende des Kriegs wiedergesehen?

Krüger: Ja, es war nicht einfach, sich in den Wirren der Nachkriegszeit zu finden. 1946 gelang es. Söhnker hatte damit gerechnet, dass ich gefallen war, und war überglücklich, mich lebend zu sehen.

HARDY KRÜGER90, ist in Berlin geboren. Im Frühjahr 1945 kam er als Soldat an die Westfront. In den Fünfzigerjahren wurde er ein Filmstar, er spielte auch in Hollywoodproduktionen. Heute ist Krüger Schriftsteller, zuletzt erschien von ihm "Ein Buch von Tod und Liebe"

Das Gespräch führte Ijoma Mangold. 

das gibt es auch - rettung - auch wenn man sich verrannt hat, ohne es zu wissen. da kann ein alter freund die augen öffnen - und auf die gute seite des lebens führen.

solange ich lebe gab und gibt es immer hardy krüger - auf der kinoleinwand - in afrika bei einem 13 jahre währenden hotel- und farmabenteuer dort - ein für mich immerlebender tausendsassa mit strahlend blauen augen, die immer gleich jung bleiben. S!

sunrise at the teuto: 31.07.2018

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sunrise at the teuto: 31.07.2018

und wenn du denkst: es geht nicht mehr - kommt von irgendwo ein lichtlein her

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MÜNCHEN
Stolpersteine wachsen jetzt in die Höhe

Jahrelang verweigerte sich Bayerns Hauptstadt dem Erinnerungsprojekt Stolpersteine auf öffentlichem Grund. Jetzt hat München ein eigenes Format gefunden. Überzeugend sind beide Formen.

Von Sven-Felix Kellerhoff | edition.welt

Therese Kühner gehörte den Zeugen Jehovas an. Sie wurde wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt und hingerichtet
Copyright: stauss processform, München




Es gibt sie in ganz Deutschland und 23 Ländern Europas, seit rund zwei Jahrzehnten werden sie verlegt, und heute sind es mehr als 69.000 insgesamt: Stolpersteine. So nennt der Kölner Künstler Günter Demnig sein Projekt, mit 9,6 mal 9,6 Zentimeter kleinen Messingsplatten im Straßenpflaster an Menschen zu erinnern, die dem Rassenwahn und der politischen Verfolgung Hitler-Deutschlands zum Opfer fielen.

Nur in einer deutschen Großstadt gab es sie bisher so gut wie gar nicht: in München. Die bayerische Landeshauptstadt lehnt die Verlegung auf öffentlichem Grund ab. Hintergrund ist die Kritik von Charlotte Knobloch, selbst Überlebende des Holocaust, an Demnigs Projekt. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), von 2006 bis 2010 zusätzlich Vorsitzende des Zentralrates der Juden, fand es „unerträglich“, die Namen ermordeter Juden auf Tafeln zu lesen, die in den Boden eingelassen sind und auf denen mit Füßen „herumgetreten“ werde.

Stolperstein für meine Tante
Erna Kronshage

Vor diesem Hintergrund entschied 2015 der Stadtrat im Unterschied zu anderen Kommunen gegen Stolpersteine auf öffentlichem Grund. Die Kontroverse um eine angemessene Form des Erinnerns ging danach weiter und führte zu einem Rechtsstreit und schließlich zu einem Urteil, das den Stadtratsbeschluss bestätigte. Deshalb durften mehrere Hundert von Bürgern recherchierte und gestiftete Stolpersteine nicht verlegt werden; die einzigen Gedenkplaketten nach Demnigs Prinzip, die in München verlegt worden sind, finden sich auf Privatgrund.

Ausgerechnet in der früheren „Hauptstadt der Bewegung“ der NSDAP gibt es also im öffentlichen Raum kaum Zeichen des Gedenkens an individuelle Opfer – eine unglückliche Situation. Das soll sich ab sofort ändern. Denn jetzt sind in München die ersten individuellen Erinnerungszeichen für Opfer des Nationalsozialismus enthüllt worden – aber nicht in Form von in den Boden eingelassenen Plaketten, sondern als Stelen oder Tafeln.

Gestaltet hat sie der Designer Kilian Stauss. Seine Entwürfe sind an Demnigs Idee angelehnt, aber ästhetisch eigenständig. Die Stelen bestehen aus Edelstahl und sind mit einem Querschnitt von sechs mal sechs Zentimetern etwas kleiner als ein Stolperstein, ragen dafür aber 1,86 Meter in die Höhe. An bis zu zwölf individuelle Schicksale kann mit einer solchen Säule erinnert werden. Während Demnig Stolpersteine stets für eine Person verlegt und für Verwandte dicht nebeneinander, eröffnet Stauss’ Konzept die Möglichkeit, familiäre Zusammenhänge deutlicher zu zeigen.

Beiden Konzepten ist gemeinsam, dass die Erinnerungszeichen in der Regel vor den letzten selbst gewählten Wohnorten von NS-Verfolgten an sie mahnen sollen. Stauss bietet jedoch im Gegensatz zu Demnig die Möglichkeit, auch ein gerastertes Foto und zusätzliche Informationen zu zeigen.

Zunächst wurden an fünf Standorten solche Stelen oder auch eine Variante als Tafel für sieben Opfer des NS-Regimes aufgestellt; bis zu 200 weitere sollen in München folgen, die nächsten schon in den kommenden Tagen. Darunter ist das Erinnerungszeichen für das jüdische Ehepaar Tilly und Franz Landauer, den Bruder des bekannten damaligen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer.

Insgesamt geht die am Stadtarchiv angedockte Koordinierungsstelle davon aus, dass bis zu 10.000 Männer, Frauen und Kinder in München zwischen 1933 und 1945 ihr Leben aufgrund rassistischer, politischer und religiöser Verfolgung ihr Leben verloren. An eine vollständige Dokumentation aller derartigen Schicksale in der Stadt ist aber nicht gedacht.

Charlotte Knobloch zeigte sich mit der gefundenen Lösung zufrieden. Die Gratwanderung zwischen der alltäglichen Umgebung und der nötigen Würde des Gedenkens gelinge mit Stauss’ Konzept sehr gut. Entscheidend sei, das Andenken der Opfer in Ehren zu halten und „auf Augenhöhe“ an sie zu erinnern.

Tatsächlich ist gut, dass die Blockade aufgelöst ist; Kilian Stauss’ Konzept vermag durchaus als Variante zu Demnig zu überzeugen. Dagegen war Charlotte Knoblochs Argument gegen die Stolpersteine nie sonderlich überzeugend. Denn auch das Denkmal für den 1919 ermordeten ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Kurt Eisner, ist seit fast 30 Jahren im Boden verlegt. Täglich laufen Tausende Nutzer des Bürgersteigs der Kardinal-Faulhaber-Straße über die Bodenplatte mit den angedeuteten Umrissen einer Leiche hinweg. Vielen fällt das nicht auf, doch manche bleiben stehen und informieren sich – genau wie bei den Stolpersteinen und hoffentlich bald auch vor den neuen Erinnerungszeichen.

DIE WELT © Axel Springer SE. Alle Rechte vorbehalten


siehste - geht doch: auch stolpersteine können in den himmel wachsen. 

ausgerechnet jetzt erst, wo die afd im bundestag sitzt - und dort prompt herumschwadroniert: die derzeitige deutsche erinnerungskultur sei zum größten teil die „kultivierung eines deutschen schuldkomplexes“ - da bequemt sich mal die bayerische landeshauptstadt, endlich auch ihrer opfer der nazi-zeit zu gedenken - fast hätte man durch die querelen mit gunter demnigs "stolpersteinen" dazu gänzlich den anschluss verpasst.

die nun in die höhe gereckten stolperstelen und erinnerungstafeln sind ein guter kompromiss - und dass empfindet ja nun auch charlotte knobloch so, an deren jahrzehntelangem "dickkopp" bis heute alles öffentliche gedenken und erinnern abprallte - und prompt wollte der stadtrat sie aus moralischen gründen natürlich nicht überstimmen ...
aber - mit ganz alltäglichem vanadalismus gerade in dieser zeit muss man auch bei stelen und tafeln rechnen - oder dass z.b. vielleicht ein (streunender) hund die blinkende tafel be"schmutzt" ...

erinnerungszeichen im öffentlichen raum tragen ein gewisses risiko
auch im stelenfeld des
holocaust-denkmals dabei:
die selfiestange -
foto: ps/wolfram steinberg|dpa
der unbotmäßigen "ehrabschneidung" immer mit sich: auf den bröckelnden stelen des holocaust-mahnmals in berlin legen sich manche ganz unbedarft zum sonnen - oder schüler schlafen dort ihren klassenfahrtrausch aus ...

da muss das "betreten" eines demnig-stolpersteins ja nicht in jedem falle an das "schreckliche herumtrampeln mit ss-stiefeln" erinnern, wie das frau knobloch empfunden hat.

die stolpersteine und auch die erinnerungsszeichen kennzeichnen bewusst ja nicht die letzte ruhestätte, das grab der opfer: es sind erinnerungsplaketten - infohinweise wie z.b. die straßennamenschilder - im besten sinne als "gebrauchsgegenstände" und hinweis-, merk- und lesezeichen - nicht mehr und nicht weniger ... 

kann wegfallen (kw)

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25.000 Namen auf rechten "Feindeslisten"

Berlin (dpa). Bei Ermittlungen in der rechtsextremen Szene hat die Polizei in den vergangenen Jahren mehrere Listen mit politischen Gegnern gefunden - neben Namen sind auch Adressen vermerkt. Neben der schon bekannten NSU-Adressliste mit rund 10.000 Menschen wurde bei einer Anti-Terror-Razzia in Mecklenburg-Vorpommern eine Liste mit etwa 25.000 politischen Gegnern  gefunden, die im Krisenfall getötet werden sollen. Das geht aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine  parlamentarische Anfrage der Linken hervor, über die diese Zeitung zuerst berichtet hatte. Unklar bleibt, wie groß die tatsächliche Gefahr für die Betroffenen eingeschätzt wurde, die auf einer sogenannten Feindesliste auftauchen. Die stellvertretende Linken­ Vorsitzende Martina Renner warf der Bundesregierung daraufhin vor, die rechtsterroristische Gefahr zu ignorieren. Sie kritisiert, dass nicht mal eine handvoll" der Betroffenen informiert wurde.

diese dpa-meldung fand ich heute morgen in meiner heimatzeitung - ohne weiteren kommentar. soweit sind wir also schon wieder: da werden irgendwo im rechten milieu "listen" missliebiger personen geführt mit "falscher" gesinnung - die man kurzerhand wie im mittelalter für "vogelfrei" erklärt - und zum abschuss "freigibt" - willkürlich - einfach so: daumen hoch - daumen runter - rotes pluszeichen (+)- blaues minuszeichen (-)  wie auf den selektionslisten der nazi-"euthanasie": ein todesurteil "in abwesenheit" sozusagen ...

und mit solchen versteckten dpa-meldungen wird dann eben auch die beabsichtigte angst und bedrohung ausgedrückt: "warte warte nur ein weilchen, dann kommt ... auch zu dir ..."  - und weil man die betroffenen ja eben nicht informiert (man hat ja namen und adressen) legt sich eben ein bleierner schleier über viele und die gerüchteküche beginnt zu kochen.

scheinbar können ein paar menschen ohne eine solche bedrohungswolke gar nicht leben - und auch wenn im alltäglichen leben so etwas gar nicht existent ist, wird es eben künstlich erzeugt: von wem auch immer: da waren die morde des nsu - die man anfangs völlig falsch einschätzte, obwohl verfassungsschützer ja nahe dran waren - und in einem der längsten nachkriegsprozesse nur äußerst mickrig mit vielen fragezeichen aufklärte und äußerst milde insgesamt aburteilte - da gab es einen hype um die nsa-überwachungen - ihrem umfang nach und ob das bei privaten daten dann auch endet oder weitergeht, ist dann doch irgendwie im sande verlaufen  - und was durch die "flüchtlingskrise" sich dann "verflüchtigte".

auch diese meldung oben kann vielleicht nur der füller in einer nachrichtenarmen und viel zu heißen zeit sein: aber mit so etwas hält man "das volk" ja in schach und übt macht aus: macht durch angst ... macht durch vorenthaltene oder angedeutete infos ...

25.000 namen sind ja kein pappenstiel - und 25.000 namen müssen auch ausrecherchiert werden: das macht man ja heutzutage nicht mehr mit dem telefonbuch: da muss also auch ein know-how vorhanden sein - und das personal, das so etwas bewerkstelligt.

nun kann man ja versuchen, das zu vertuschen: dann bleibt die "allgemeine verunsicherung" vielleicht aus - aber "vertuschen" ist in einem "rechtsstaat", in dem informationen als währung gehandelt werden, ganz schlecht durchführbar - auch weil die "linke" nicht weiß, was die "rechte" tut (gemeint sind die hände) und was hänschen nicht lernt lernt hans nimmermehr...

aber in unserer kleinteiligen fragmentierten pluralistisch-globalen postmodernen welt werden solche informationsschnipsel leider nicht zu ende geführt - nicht gänzlich "zur strecke gebracht" zu einem ergebnis - denn dazu hat diese zeit der bunten detail-flicken hier und da niemanden vorgesehen, der daraus dann letztlich auch den "flickenteppich" fertigt - und daraus schlüsse zieht - und 1 + 1 zusammenzählt ...

dieses gebrösel - diese unganzheitlichkeit - ging schon in der frühen industrialisierung mit ihren produktionsbedingungen am fließband los: der einzelne übersah nur noch seinen kleinteiligen aufgabenbereich - aber verlor das große und ganze dabei aus den augen.

im nazi-deutschland benutzte man diese fragmentierte sichtweise dann - und ließ sich winzige details auf dem weg in den wahnsinn einzeln bejubeln (führer befiehl - ich folge dir) - nach 12 jahren nazi-herrschaft konnten deshalb sicherlich viele mit überzeugung sagen: davon habe ich nichts gewusst!

denn das große und ganz war längst abhanden gekommen ... man deutete das "endziel" immer nur an ..., das in seiner hybris dann immer tiefer im nebel versank: der lokführer des deportationszuges wusste nicht viel von dem, was nach dem zielbahnhof für seine "fahrgäste" anstand usw.

stasi und geheimdienste und die maßnahmenkataloge gegen die raf u.a. - und dann die nsa - dominierten in der nachkriegszeit diese partiell zerstückelte informationsflut: wie ein großer spiegel, der in 10.000-en kleiner scherbensplitter zerpringt - z.b. die "rasterfahndung": ein ganzes wird in viele kleine rasterpunkte aufgeteilt und einzeln abgearbeitet: jeder kommissar in seinem umrissenen aufsichtsfeld - und die programme, die dann zu großen wirtschaftsoperationen diese schnipsel wieder zusammensetzen können, arbeiten vielleicht schlussendlich dann in silicon valley: stück für stück - vielleicht für eine neue "elite" - für eine neue "macht" ... (oder ist das jetzt schon wieder "verschwörungstherie" ???)

aber auch die moderne familie wird durch die anpassung an die erwerbstätigkeit in kleine parzellen zerstückelt: erziehungsurlaub von mama und dann vielleicht papa - kita - tagesstätte - schulen ohne klassenlehrer und klassenverband - nur noch in "modernen""kursverfahren": wie auch später an der uni: da gib's keine geborgenheit mehr, kaum wiedererkennungswerte, alles rutscht ins anonyme irgendwas ...

das hat sicherlich anklänge an orwells "1984" und den "großen bruder" - und eben an "verschwörungstheorien" - doch auch diese verschiedenen angenommenen vielleicht übertriebenen aspekte haben nachahmer - lösen "besessenheiten" aus - und ergeben irgendwo und irgendwie ein ganzes: mit dem systemischen "schmetterlingseffekt" (englisch butterfly effect) wird ein solches phänomen der "nichtlinearen dynamik" beschrieben: er tritt in nichtlinearen dynamischen, deterministischen systemen auf und äußert sich dadurch, dass nicht vorhersehbar ist, in welchem maß sich beliebig kleine änderungen der anfangsbedingungen des systems langfristig auf die entwicklung des systems auswirken.

es gibt hierzu ja eine bildhafte veranschaulichung dieses effekts am beispiel des wetters, welche namensgebend für den "schmetterlingseffekt" ist: „kann der flügelschlag eines schmetterlings in brasilien einen tornado in texas auslösen?“ (wiki)

die digitaltechnik benutzt die kombinationen aus nur 2 zahlen für komplexeste systemerstellungen 

die dpa-meldung von oben ist auch nur so ein "flügelschlag eines schmetterlings" - welcher domino-effekt damit ausgelöst wird - ist ungewiss: aber: nachtijall - ick hör dir trapsen (oder: schmetterling - ick hör deinen flügelschlag) ...




ja ja ja - am tag als der regen kam - statt regentanz ...

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Am Tag als der Regen kam
Lang ersehnt heiß erfleht
Auf die glühenden Felder
Auf die durstigen Wälder

Am Tag als der Regen kam
Lang ersehnt heiß erfleht
Da erblühten die Bäume
Da erwachten die Träume
Da kamst du

Ich war allein im fremden Land
Die Sonne hat die Erde verbrannt
Überall nur Leid und Einsamkeit
Und du ja du
So weit so weit

Doch eines Tags von Süden her
Da zogen Wolken über das Meer
Und als endlich dann der Regen rann
Fing auch für mich das Leben an
Ja ja ja ja ja ja ja …

Am Tag als der Regen kam
Lang ersehnt heiß erfleht
Auf die glühenden Felder
Auf die durstigen Wälder
Da kamst du

(Am Tag als der Regen kam) (4X)

Als die Glocken erklangen
Als von Liebe sie sangen
Da kamst du, da kamst du
(Am Tag als der Regen kam) (4X)

1959

schon schweigen ist betrug, genug kann nie genügen ...

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UND AUS DEM SPIEGEL                                                                      AUSGABE 19/2018

Interview mit dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen

"Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe"


Günter Morsch, Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, warnt: Das Wissen über die Nazi-Zeit nimmt ab, der Antisemitismus wird stärker. Deutschland sei allzu stolz auf seine Erinnerungskultur.

Ein Interview von Annette Großbongardt und Frank Hornig 


Morsch, 65, ist Historiker und lehrt am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Er leitet seit 1993 "Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen", seit 1997 ist er auch Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
Prisoners in the concentration camp at Sachsenhausen, Germany, December 19, 1938 (National Archives)


SPIEGEL: Herr Professor Morsch, im Konzentrationslager Sachsenhausen waren von 1936 bis 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, politische Häftlinge, Juden, Sinti, Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. Zehntausende wurden getötet. Vor zwei Wochen haben Sie den 73. Jahrestag der Befreiung des Lagers begangen. Wie viele der ehemaligen Häftlinge leben heute noch?

Morsch: Gerade mal sieben Überlebende sind jetzt zum Jahrestag gekommen, es sind wirklich nicht mehr viele, aber einen exakten Überblick haben wir nicht. Die meisten stammen aus Osteuropa, sie kamen als Kinder nach Sachsenhausen.

SPIEGEL: Einer der Überlebenden, der kommunistische Widerstandskämpfer Karl Stenzel, starb 2012. In einer seiner letzten Reden sagte er, fast flüsternd, er war wohl schon schwach ...

Morsch: ... er war so deprimiert!

SPIEGEL: Er sagte: "Wir, die ehemaligen KZ-Häftlinge, wir haben versagt. Wir haben geglaubt, die Welt würde aus unserer Erfahrung lernen, sie würde besser werden, keine Völkermorde mehr, kein Rassismus, kein Antisemitismus, kein Nationalismus, kein Krieg mehr. Doch was hat die Welt aus unseren Erfahrungen gemacht?" Eine bittere Bilanz. Hat er recht?

Morsch: Schon in ihrem "Vermächtnis", das die Häftlingskomitees fast aller großen Lager von Auschwitz über Flossenbürg, Dachau bis nach Ravensbrück und Sachsenhausen 2009 in Berlin dem Bundespräsidenten übergaben, klingt das ähnlich pessimistisch. Die Häftlinge hatten wirklich geglaubt, dass dies ein Zivilisationsbruch war, der die Menschheit zur Umkehr bewegen würde.

SPIEGEL: Haben wir tatsächlich nichts aus der Geschichte gelernt?

Morsch: Ich war beim Verfassen des Vermächtnisses dabei und habe natürlich auch versucht dagegenzuhalten, aber es ist mir zunehmend schwergefallen. Die Menschen sind mir ans Herz gewachsen, es tut mir leid, dass nicht wenige von ihnen so resigniert starben. Ganz so schwarz darf man es zwar nicht sehen, aber ich bin froh, dass die meisten nicht mehr erleben, was im Moment in Europa los ist und im Deutschen Bundestag ...

SPIEGEL: ... wo nun die Rechtspopulisten der AfD sitzen. Was ist los in Deutschland?

Weiterlesen - click hier >>

dafür lege ich meine hand ins feuer - oder: chirologie vom feinsten

SI - erbrochen

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Für mich war es mal wieder Zeit, mein Si-Logo von "SiNEDi" zu "relaunchen":
mit einer etwas bauchigen si-Ligatur in Fraktur-Schrift.
Als alter Schriftsetzer liebe ich die Fraktur-Schrift - besonders
die Lang-s-Variante beim "si" ...

Ehe jetzt jemand dummes Zeug redet: Adolf Hitler hat sich bereits ab 1941
von den "gebrochenen" Fraktur-Schriften distanziert - und hat sie in seiner
Verblendung eine Schrift mit "Juden-Haken" genannt - und tatsächlich
sind ja einige Fraktur-Buchstaben den hebräischen Schriftzeichen ziemlich ähnlich ...

"C'est à l'aide du concept de signe qu'on ébranle la métaphysique de la présence." 

("Mit dem Konzept des Zeichens erschüttert man die Metaphysik der Präsenz") -



Jacques Derrida: Die Schrift und die Differenz. Frankfurt/Main 1972, S. 422-442, hier S. 425.

Zwangssterilisation: "Mein Lachen ist Weinen"

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Repro des Original-Antrags zur "Unfruchtbarmachung"


Am 11. Februar 1943 stellt der Direktor der Provinzialheilanstalt Gütersloh, Dr. Hartwich, für Erna Kronshage den Antrag auf „Unfruchtbarmachung“, da „Schizophrenie“ im Sinne des NS-Gesetzes „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ als Erbkrankheit gilt.

Dazu heißt eine Passage im Beschluss des Erbgesundheitsgerichtes Bielefeld:
„Anlässlich der persönlichen Vorstellung in der mündlichen Verhandlung machte sie (Erna Kronshage) einen gespannten Eindruck und lachte unmotiviert auf. Sie äußerte, ihr Lachen sei Weinen“...: 
Da verhandeln drei honorige Herren ...
Mit dieser Notiz glaubte das Gericht die diagnostizierte „Schizophrenie“ mit begründen zu müssen.

Man muss sich diese Szene jedoch ganz plastisch vor Augen führen: Da verhandeln drei honorige Herren, ein Amtsgerichtsrat und zwei Medizinal- und Oberärzte als mobiles „Erbgesundheitsgericht“ am 29.03.1943 im 20-minütigen Fließband-Takt über die „Unfruchtbarmachung“ von insgesamt 11 Patienten in der „Heil“anstalt Gütersloh – Zitat: „die Kranken sind seitens der Anstaltsleitung dem Gericht zum Termin vorzuführen“...

Und Erna Kronshage ist als dritter „Fall“ von 08.40 bis 09.00 Uhr anberaumt…  - Bei dieser ungleichen „Vorführung“ ohne jeden persönlichen Beistand soll nun über diese „einschneidende“, das ganze Leben verändernde endgültige Sterilisations-Maßnahme entschieden werden…

Erna Kronshage - im Hintergrund die "Erbgesundheitsgerichtsakte" - Fotomontage
Und weil Ernas verstörte und verzweifelt unsichere Reaktion auf diese makabere Szene ein „unmotiviertes Auflachen“ ist und von ihr auf Befragen kommentiert wird mit: „Mein Lachen ist Weinen“ … wird diese an sich ja tiefgründige Antwort mit als Indiz für ihre Schizophrenie gewertet…

Aber die 20-jährige Erna lacht ja, um nicht Losheulen zu müssen, weil sie sich ihrer Tränen vor diesen herumschwadronierenden Männern schämen würde – denen sie da in dieser heiklen und existenziell intimen Frage ausgeliefert ist…


Repro des "Ärztlichen Berichts" von der durchgeführten Zwangssterilisation



Zu den näheren Einzelheiten des Leidensporträts clicken Sie bitte hier ...

der züngelnde drall welkender sonnen

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S!|art: 05-08-2018 - der züngelnde drall welkender sonnen


verwelkende blüten
tropfen ihren seim ab
ehe sie blättern
 
im leichenschauhaus
wirkt das bedrückend
da verdampft dann die sonne
 
luftabschneidend dies gekröse
der letzten blüten
die im fahlen goldlicht züngeln
 
und blecken die zähne wund
und beißen zu wie aus dem nichts
dich einzusaugen
 
in ihre honigperlen
wo das taglicht verdorrt
um morgen wieder aufzuscheinen

sinedi




sommer ? - sommer !

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ich habe hier im blog ja neulich schon mal zum wetter interveniert - mit dalidas "am tag als der regen kam" - 1959
und habe das auch als "regentanz" - als flehen um ein baldiges ende der dürre - verstanden:
da das nicht erhört wurde, versuche ich es nun mit einer "paradoxen intervention":

mit rudi carrells: "wann wird's mal wieder richtig sommer"- 1975:

p.s. für die gendermäßig bestimmt "in-correcte" kulissen-ausstattung kann ich mich nur entschuldigen - aber so war das eben vor 43 jahren - da wurden frauen zur bildvervollständigung in einen roten badeanzug (nicht bikini!) gesteckt - und rudi als sonnyboy hofiert - gut dass wir diese zeiten aquch sommertags endlich überwunden haben ...

multikulti fata morgana

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S!|art: multikulti fata morgana

wenn hinterm berg die sonne verrinnt

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S!|art: wenn hinterm berg die sonne verrinnt

breit aus die flügel beide

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breit aus die flügel beide - S!|art





wenn die grüne lunge
geröntgt wird
dieser frischluft-blasebalg

einatmen - ausatmen
und wieder einatmen
luft anhalten
und wieder ausatmen

so - ich werte jetzt das bild aus - 
und wenn alles okay ist

kann es ja wieder herbst werden ...
und sie können sich wieder anziehen

das bild ist so i.o.
aber da blickt jetzt 
noch der facharzt durch

ob da schatten sind
oder tb vielleicht
oder ob etwa diese lauwarmen legionellen
oder schwarz-klumpige verquarzungen gar

wenn die grüne lunge
geröntgt wird
dieser frischluft-blasebalg

einatmen - ausatmen
und wieder einatmen
luft anhalten
luft anhalten
luft anhalten

nicht mehr ausatmen
nie mehr ausatmen
halten sie mal die luft an ...
nicht weiteratmen ... 

sinedi




aber es muss alles im rahmen bleiben ...

Article 2

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 KUNST AUS AFRIKA

Paint it black

Das Interesse des Kunstmarkts an der Arbeit schwarzer Maler und Bildhauer ist riesig. Ihre Gemeinsamkeiten zu definieren, fällt aber schwer.

Von Marcus Woeller | DIE WELT

In der Stephen Friedman Gallery in London waren jüngst „Arbeiten von Künstlern afrikanischen Ursprungs und quer durch die Diaspora“ ausgestellt. Ausgesucht wurden „Künstler, die sich in den Geist des afrikanischen Widerstands und der afrikanischen Repräsentation einfühlen“. Der Schwurbelton verrät, dass sich auch global agierende Galerien und international gefeierte Künstler wie Yinka Shonibare, der die Schau kuratiert hatte, in einem Begrifflichkeitsdilemma befinden.

Denn: Gibt es so etwas wie „afrikanische Kunst“ oder „schwarze Kunst“ überhaupt? Was es gibt, sind jede Menge Unterschiede (wahlweise Gemeinsamkeiten) zwischen Künstlern aus Nigeria, Marokko oder Kenia, zwischen südafrikanischen Künstlern mit weißer und schwarzer Hautfarbe, zwischen afroamerikanischen oder afrikanisch-karibisch-britischen Künstlern, zwischen künstlerischen Stilen und Handwerkstechniken ungeachtet jeder Herkunft, Hautfarbe oder dem Hintergrund irgendeiner wie und wann auch immer gearteten Form von Migration.


Yinka Shonibare
*1962
LEISURE LADY (WITH PUGS) - Sotheby's Auction Catalogue 2017


Yinka Shonibare erfüllt die oben genannten Kriterien selbst am allerbesten. Er wurde 1962 in London geboren, in die Familie eines nigerianischen Anwaltes, und verbrachte den größten Teil seiner Kindheit in Lagos, der damaligen Hauptstadt von Nigeria. Nach dem Studium an den renommiertesten Kunstakademien Londons, dem Central St. Martins College und dem Goldsmiths College, hat er sein Künstlerleben der Erforschung von kultureller Identität und dem Kolonialismus gewidmet.

Okwui Enwezor lud ihn zur elften Documenta nach Kassel ein, wo er die britische Upper-Class-Tradition der Grand Tour als vormoderne Variante des organisierten Sextourismus von heute inszenierte. Mittlerweile ist Shonibare hochdekoriert, ist Royal Academician und seit 2007 bereits MBE, Mitglied des Ritterordens des British Empire.

Der auch am Kunstmarkt erfolgreiche Shonibare ist aber nicht nur in den erlauchten Zirkeln Britanniens gut vernetzt, sondern auch in der internationalen Kunstszene. Für „Talisman in the Age of Difference“ hatte er mehr als 40 Künstler – „afrikanischen Ursprungs“ – nach London gebracht und damit die wohl spannendste Galerieausstellung des Jahres organisiert. Kudzanai-Violet Hwami war eine der jüngsten Teilnehmerinnen der Schau.

Die 25-jährige Malerin kommt aus Gutu in Simbabwe, wuchs in Südafrika auf und lebt mittlerweile in Großbritannien. Ihre Gemälde werfen zutiefst persönliche Blicke auf das Leben junger Menschen im Süden Afrikas. Viele ihrer Bilder sind Selbstporträts oder zeigen ihre Familie und Freunde. Es geht um Identität, Körper und Spiritualität, um die Selbstentdeckung und das Erwachsenwerden.

Die hyperrealistischen Travestien des 1977 geborenen, schwarzen Kaliforniers Kehinde Wiley sind dagegen tief in der europäischen Kunstgeschichte eingebettet. Als Porträtist steht er in einer Linie mit weißen Malern wie David, Ingres oder Singer Sargent. Nur dass er die Historienschinken der (afroamerikanischen) Zeitgeschichte malt, den Rapper Ice-T als Napoleon oder Barack Obama vor einer üppigen Hecke.

Das Bild ging als offizielles Porträt in die Präsidentengalerie in Washington ein. Der 81-jährige Texaner Melvin Edwards ist vor allem mit seiner von der US-Bürgerrechtsbewegung inspirierten Skulpturenserie „Lynch Fragments“ bekannt geworden. Die Stahlreliefs sind aus Ketten, Schlössern und Werkzeugen zusammengeschweißt. Edwards ist einer der ersten Künstler mit afrikanischen Wurzeln, die international wahrgenommen wurden.

In Pamela Joyners Privatsammlung dürfen die sprechenden Arbeiten von Melvin Edwards daher nicht fehlen. Die amerikanische Unternehmerin hat eine der bedeutendsten Kollektionen zeitgenössischer Kunst aufgebaut. Joyner berät die Londoner Tate Gallery bei Ankäufen afroamerikanischer Kunst.

Mit ihren Leihgaben hat sie im vergangenen Jahr die bahnbrechende Ausstellung „Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power“ auf den Weg gebracht. Besonders die „schwarze“ Abstraktion, lange vom Markt wie von den Institutionen übersehen, bildete den Grundstock ihrer inzwischen mehr als 400 Werke aus vier Künstlergenerationen umfassenden Sammlung. Zurzeit fokussiert Joyner auf die multikulturelle Kunst aus Südafrika.

Zuletzt hat sie etwa Arbeiten von Kemang Wa Lehulere gekauft. Der Kapstädter wurde im vergangenen Jahr als Künstler des Jahres in der Berliner Kunsthalle der Deutschen Bank präsentiert. Die verspielten Installationen der jungen Künstlerin Bronwyn Katz haben Joyner ebenso überzeugt wie die konstruktiven Holzarbeiten von Serge Alain Nitegeka. Hautfarbe spielt dabei eine untergeordnete Rolle, so sind längst weiße südafrikanische Künstler wie Zander Blom und Mikhael Subotzky in ihrer Sammlung.

Der Diskurs um schwarze Identität in der Kunst findet dort einen Ort: „Dabei kann ich Blackness eigentlich gar nicht definieren“, erklärt sie gegenüber WELT. „Der Begriff wurde auf dem Höhepunkt des transatlantischen Sklavenhandels ausgeheckt, um ihn als kommerzielle Aktivität zu rechtfertigen.“ Sie fokussiere als Sammlerin auf zeitgenössische Künstler afrikanischer Abstammung. Ähnlich wie Shonibare, der in ihrer Sammlung ebenfalls vertreten ist, sei das aber nur ein Konstrukt, das eine sehr breite Gruppe von Kunstproduzenten unterschiedlichster Herkunft und Arbeitsweise umfasse.

„Einige dieser Künstler bezeichnen sich selbst als schwarz und werden auch als Schwarze identifiziert. Bei anderen geht es weniger darum, weder in der eigenen Wahrnehmung noch in der Fremdeinschätzung.“ Ihre Mission sei, diejenigen hervorzuheben, die aufgrund ihrer Hautfarbe marginalisiert werden. Aufräumen will sie mit der „Vorstellung, dass Rasse eine geeignete Linse ist, durch die man Kunst betrachten sollte“.

Das gegenwärtige Interesse des Kunstmarkts am Output schwarzer Maler und Bildhauer sieht sie durchaus kritisch: „Ich hoffe doch, dass wir schon längst darüber hinaus sind, Werke von Künstlern afrikanischer Herkunft nur als trendy zu verstehen.“ Die Qualität von Kunst solle schließlich nach künstlerischen Kriterien bewertet werden, sagt Joyner. „Aber es ist dennoch aufregend zu sehen, dass Künstler, die innovativ sind und transformativ arbeiten, endlich auch die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.“

Zu den bekanntesten afroamerikanischen Malern gehört seit Langem Kerry James Marshall. Seit dem 16. Mai dieses Jahres ist er auch der mit Abstand teuerste lebende schwarze Künstler: Das Auktionshaus Sotheby’s versteigerte sein vier Meter breites Panorama „Past Times“ aus dem Jahr 1997 für 21,1 Millionen Dollar. Ein Kunstberater hatte das Bild im Entstehungsjahr für 25.000 Dollar gekauft und an die Kunstsammlung eines Chicagoer Kongresszentrums vermittelt. Kerry James Marshall malt realistische, figurative, narrative Szenen.

Past Times, 1997. Foto: Nathan Keay, © MCA Chicago / © Kerry James Marshall | The Guardian

Er will davon erzählen, was ist und was fehlt. „In der Kunstgeschichte sind schwarze Figuren völlig unzulänglich dargestellt“, erklärt Marshall im Gespräch mit WELT. „Wenn überhaupt, dann tauchen sie in den Museen peripher auf. Ich wollte ein Werk aufbauen, dass die schwarze Figur als zentrales Thema hat.“ Ebenso wie Schwarze auf Bildern seien auch Künstler afrikanischer Herkunft noch immer unterrepräsentiert. Das sei natürlich eine Folge der Geschichte. „Aber ich spüre eine Abwesenheit bestimmter Bilder, wenn ich ins Museum gehe, und auch der Menschen, die Bilder machen, die mir vertrauter wären.“

Gibt es also doch eine „schwarze Kunst“, eine „afrikanische Kunst“, eine Kunst, die sich über Kontinente hinweg auf ein gemeinschaftlich Identität stiftendes Konzept berufen kann? Blackness, so Marshall, sei nicht nur als politische Realität der schwarzen Bevölkerung zu verstehen, die Jahrzehnte und Jahrhunderte der Unterordnung erlebt hat, sondern vor allem als kritische Position.

„Es ist ein Korrektiv gegen die negative Dialektik, die der Bedeutung, was es heißt schwarz zu sein, auferlegt wurde: nämlich wild, primitiv, unschön, verarmt, unterwürfig, ungebildet. Blackness funktioniert heute als ein Mittel, die Legitimität solcher Zuschreibungen völlig auszuhöhlen.“

Als angewandte Blackness im besten Sinne kann man auch den hohen Auktionserlös für Marshalls Gemälde verstehen: Ersteigert hat es der Musiker Sean Combs alias Diddy auf Empfehlung von Kasseem „Swizz Beatz“ Dean, Hip-Hop-Produzent, Sammler und Kunst-Influencer auf Instagram. Marshalls Galerist Jack Shainman sagte nach der Auktion, dort habe das Bild sein richtiges Zuhause gefunden.


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das ist ja höchstinteressant - wenn europäische galerien und auktionshäuser jetzt afrikanische kunst präsentieren - und hoffentlich mehr auf das feuilleton schielen als auf die kasse.

ich habe die angst, dass das ursprünglich afrikanische dabei vielleicht etwas zu kurz kommt - oder europäisch-westliche kunst von den oft in europa ausgebildeten künstlern umgesetzt und "imitiert" wird mit einer afrikanischen note.

bei tatsächlicher afrikanischer original-kunst solltren wir demütig werden und uns neue sehgewohnheiten erarbeiten - vor allen dingen muss der kunstbetrieb aber "gelassen" bleiben - und die künstler so lassen wie sie sind in ihrer jeweiligen entwicklung und umsetzung.

bei asiatischer kunst hat das ja - besonders auch bei den chinesen - einigermaßen geklappt. auch wenn ai-weiwei gern "westlich" unterwegs ist - sicherlich auch, um kasse zu machen ...
"jeder ist künstler"

quadraturversuch einer kreisrunden sonnenblume

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S!|art: quadraturversuch einer kreisrunden sonnenblume

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