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schlimmer geht's nimmer

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"Edmond de Belamy von La Famille de Belamy", ein Leinwanddruck des französischen Kollektivs Obvious, das mit Künstlicher Intelligenz arbeitet, wird am Donnerstag bei Christie's versteigert. © Christies


dieser etwas verschwitzt und verwischt unansehnliche leinwanddruck, bei dem nur der rahmen scheinbar etwas taugt, kommt dieser tage bei christie's zur versteigerung. es ist das bild des französischen künstlerkollektivs "obvious", das mit hilfe eines algorithmus-programms aus tausenden von klassischen eingegebenen porträtabbildungen generiert wurde - ein "werk" ohne pinsel und ölfarbe - ein werk also der "künstlichen intelligenz" (ki) ...: ein "rechnerischer" algorithmus-"querschnitt" all dieser dem computer eingefütterten porträts aus verschiedenen jahrhunderten.

nach meinem geschmack nun ist das herausgekommene werk so hässlich, dass auch diese entstehungsgeschichte mich unbedingt davon abhalten würde, beim von christie's erwarteten schätzpreis von 7.000 - 10.000 us-dollar irgendwie mitzubieten. der schätzwert ist also allerhöchstens ideell zu beziffern, als eines der ersten auktions-algorithmus-gemälde überhaupt.

nun - beuys hat ja gesagt, jeder  m e n s c h  sei ein künstler - aber hier fehlt ja eben der mensch als kreator - auf alle fälle bleibt er hier im hintergrund und schreibt vielleicht noch ein programm oder entscheidet welche porträts da eingegeben werden zur vorlage.

ist es also überhaupt kunst, was christie's da anbietet? frédérique baumgartner, kunsthistorikerin an der columbia university, sagt dazu, dass die ki-arbeit schon fragen nach "intention und autorenschaft" aufwerfe, aber auch künstler aus der vergangenheit hätten da schon ihren schabernack getrieben, darunter ja auch marcel duchamp, der bekanntlich ein unverbautens urinal zur "kunst" erklärte ...

leonardos "salvator mundi"

salvator mundi - evtl. von
leonardo
christie's hat ja im letzten jahr den schon umstrittenen weltrekord-auktions-coup von 450 mio. dollar gelandet mit dem umstrittenen und wohl nur bedingt gut restaurierten leonardo-werk "salvator mundi".

mit all solchem hart an der grenze des "seriösen" einhergehenden auktionsgebaren führt christie's einen harten kampf um ansehen und legitimität mit der sotheby's-konkurrenz und ein paar anderen auktionshäusern ...

vielleicht sucht  man aber auch ganz bewusst eher etwas nervenkitzel und klamauk - und umgarnt damit gezielt eher die spektakulären kunst-spekulanten, die sich so etwas in den safe legen lassen und auf eine gute rendite hoffen, die besser ist als jeder spekulationsgewinn an den börsen dieser welt ...

jedenfalls hängt dieser "salvator mundi" nach vielen spekulationen um dieses werk immer noch nicht im ebenfalls spektakulären louvre-museum in abu dhabi auf einer kleinen insel direkt am persischen golf. die enthüllung dieses teuersten gemäldes der welt lässt aus unerfindlichen gründen noch immer auf sich warten ...

okay - ich gebe es ja zu - meine "werke" entstehen auch zumeist ohne pinsel und ölfarbe, aber es bleiben auch virtuelle vorlagen, die sich interessenten gern ohne rücksprache auch meinetwegen hochwertig ausdrucken lassen können bei der kunst-, kopier- und reproduktionsanstalt ihrer wahl - oder sie lassen es eben bleiben - und von meinem ursprünglichen ausgangspunkt eines "photos" entstehen und entwickeln sich in einem prozess durch allerhand graphikfilter meiner verschiedenen einschlägigen software-apps und von mir "gesetzten""händischen" manipulationen durchaus ja ansehnlichere "abbildungen" als dieser "edmond de belamy ..." - das behaupte ich mal ganz selbstbewusst ...

zusammenfassend stelle ich fest, dass die tatsächlichen moralisch einwandfreien kernpunkte in der verkaufskunst allgemein und genauso auch in der internationalen politikgestaltung immer mehr durch populistisches geschwurbel abgelöst werden - und zu einem völlig unverbindlichen und vorübergehenden popanz verkommen - jeweils im augenblick von den medien erwähnt und hochgehalten, damit die redaktionellen seiten auch gefüllt werden - aber keinerlei konsequenzen nach sich ziehen ...

dreht euch wieder um ... da ist in china vielleicht ein sack reis umgefallen ...


text nach info in der new york times v. 22.10.2018

mit dem kopf in den stein ...

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Kunstbiennale Venedig

Professorin mit Steinkopf gestaltet deutschen Pavillon

Die Bildhauerin Natascha Sadr Haghighian wird Deutschland bei der 58. Kunstbiennale in Venedig vertreten. Die Bremer Professorin legte sich dafür ein Pseudonym zu und ließ sich nur mit Maske ablichten.


Natascha Süder Happelmann alias Natascha Sadr Haghighian - generiert aus einem SPIEGEL-Foto

Natascha Sadr Haghighian gestaltet den deutschen Pavillon auf der Kunst-Biennale in Venedig 2019. Für ihre Präsentation wählte die an der Hochschule für Künste Bremen als Professorin für Bildhauerei lehrende Künstlerin den Namen Natascha Süder Happelmann. Bei der Vorstellung am Donnerstag in Berlin verbarg Haghighian ihren Kopf unter einer an einen riesigen Stein erinnernden Skulptur.

Sie ergriff nicht selbst das Wort, sondern ließ eine Sprecherin für sich reden. Das Spiel mit Identitäten gehöre zum Kunstkonzept von Natascha Sadr Haghighian, sagte ein Sprecher der Bremer Hochschule.

Im vergangenen Jahr gewann der von Susanne Pfeffer kuratierte und von der Künstlerin Anne Imhof gestaltete deutsche Pavillon den Goldenen Löwen. Haghighians Arbeit artikuliere sich in Text, Bild, Raum und Sound, sagte Franciska Zólyom, Kuratorin des deutschen Pavillons und Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Die Künstlerin bringe das poetische, imaginäre und kritische Potenzial von Kunst in unterschiedlichen Kontexten zur Entfaltung.

Für den Beitrag im deutschen Pavillon arbeite Haghighian mit einer persönlichen Sprecherin, Helene Duldung, und passe ihren Namen der besonderen Aufgabe an, so das Institut für Auslandsbeziehungen. Die Künstlerin habe dafür eine Sammlung von Namen, mit denen sie in den letzten 30 Jahren adressiert wurde, ausgewertet. Sie rief auch die Biografie-Tauschbörse bioswop.net ins Leben, auf der Künstler ihre Lebensläufe tauschen können.

Natascha Sadr Haghighian stellte ihre oft politischen und gesellschaftskritischen Werke zuletzt unter anderem in Florenz, Stockholm, Berlin, Innsbruck sowie auf der Documenta 14 in Kassel im vergangenen Jahr aus. Zu ihren Arbeiten gehören Installationen wie "Pssst Leopard 2A7+", "Onco-Mickey-Catch" und "Fuel to the Fire".


cpa/dpa | SPIEGEL


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ich werde alt: manche begebenheiten - gerade in der kunst - machen mich einfach sprachlos: da stülpt sich eine handfeste bildhauer-kunstprofessorin zu einem offiziellen lukrativen ehrenvollen anlass eine kugelrunde "steinkopf"-pappmache-maske mit sprech- und sehschlitz über den kopf - und wählt aus ihren verschiedensten pseudonymen nun einen namen aus und entwickelt dazu - wenn ich das recht verstehe - eine besondere sicherlich vorübergehende und wahrscheinlich steinharte identität ... - 

also man nehme - so empfinde ich das - aus den diversitäts-angebots-regalen der "postmoderne" - wahrscheinlich zum ausklang derselben - eben noch mal ein passendes anderssein: "anything goes" ... - und nennt das dann "kunst" - und bespielt damit zum ausklang der epoche den biennale-pavillon ...

die maske erinnert mich erst einmal an "helloween" - und dann auch ganz genderhaft-politisch an das problem mit den burka-verschleierungen.

aber es bleibt zunächst einmal das geheimnis von frau "steinhart-kopf" was das ganze denn soll.

franciska zólyom, die kuratorin des deutschen pavillons und direktorin der galerie für zeitgenössische kunst in leipzig, meint vorsichtshalber, die künstlerin bringe das poetische, imaginäre und kritische potenzial von kunst in unterschiedlichen kontexten zur entfaltung: ein satz, den man ja für alle kunst irgendwo und irgendwie als plattitüde zur anwendung bringen kann.

und natürlich trifft das auch und erst recht auf meine "kunst" ebenso "treffend" zu - auch unter aber nur einem pseudonym (= sinedi) - aber immer noch ohne maske (außer meinen altersfalten im lauf der jahre) - auf alle fälle: da "kommt ..." - im wahrsten sinne der worte, "... das poetische, imaginäre und kritische potenzial von kunst in unterschiedlichen kontexten zur entfaltung"(>> siehe dazu >> hier & >> hier) ... - allerdings mache ich und leider auch niemand meiner fans ein solch 'bohei' darum ... - und das ist auch gut so ... -

aber ich werde die intentionen von frau prof. steinrundkopf alias happelmann alias haghighian zu ihrem großen auftritt in venedig weiter verfolgen - und hier davon gern berichten, wenn sich mir neues dazu erschließt ... 


rotating empty quantity

ommm

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GESELLSCHAFT FIRST-WORLD-PROBLEMS

Die verlogene Spiritualität der Yoga-Szene

Von Julia Hackober | Features Editor ICONIST

In Yoga-Kursen muss man sich oft Lebensweisheiten der Lehrer anhören. Wie: „Legt nicht so viel Wert auf Materielles“. Das wäre ja ok – wäre die Yoga-Branche keine derartige Geld-Maschinerie.


S!|art: you & i



„Ich will in diesem Kurs nur Leute mit positiver attitude haben“, sagt die Yoga-Lehrerin und ich vermute sofort, dass wir keine Freunde werden. Ich bin ungefähr 30 Sekunden zu spät zum Kurs „Gentle Yoga“ erschienen und es ist klar, dass ich mit meiner offensichtlichen Gestresstheit die Ayurveda-Tee-trunkene Selbstzufriedenheit der Yoga-Gruppe störe. „Good Vibes only“, gebietet die Lehrerin, die wahrscheinlich Dina-Aruna oder so ähnlich heißt. Mir stellt sie sich nicht vor.

Da will ich, so wie jeder in Berlin-Mitte, endlich einmal was Gutes für Körper und Seele tun und hab schon vor dem ersten Sonnengruß alles falsch gemacht. Ich fühle mich ganz schrecklich unerleuchtet.

„Klammert Euch nicht an Gegenstände“

Zumal die Stunde mit einem Vortrag über die Bedeutungslosigkeit des Materiellen beginnt. Die anderen Kursteilnehmer nicken verständnisvoll zu den Ausführungen: „Das Materielle ist nicht wirklich wichtig. Was zählt, ist Liebe, haltet Euch nicht an Gegenständen fest, das wollte ich Euch einfach mal mitgeben“.

Ich denke ängstlich an meinen Wintermantel von Ermanno Scervino, der im nicht abgeschlossenen Umkleideraum hängt. Was, wenn den jemand klaut?! Dina-Aruna merkt natürlich, dass ich nicht bei der Sache bin, die „Happy Baby Pose“, bei der man auf dem Rücken liegend die Füße umklammert, will bei mir einfach nicht klappen. Das liegt offenbar daran, dass ich „nicht loslassen“ kann. „Just let go of your negative thoughts“, sagt Dina-Aruna.

Ja, wie denn?! Je länger ich die einzelnen Yoga-Stellungen halten muss, desto langweiliger wird mir – und desto mehr Aggressionen stauen sich in mir auf gegen diese Frau, die in ihren 100-Dollar-Leggings von Lululemon selbstgefällig auf ihrem Yoga-Block hockt, die Abfolge der Übungen von einem Blatt abliest und dafür 18 Euro pro Teilnehmer verlangt.

Werden Sport-Leggings bald die Jeans verdrängen?

Die Yoga-Branche betreibt die größte Geldmacherei überhaupt. Mit der Hoffnung zahlloser Menschen, dank Asanas-Geturne zu erschlanken und zu erleuchten, wird Schätzungen zufolge weltweit jährlich ein Umsatz von 80 Milliarden Dollar gemacht. Alle wollen was abhaben von diesem Yoga-Kuchen. Die Lehrer in Berlin-Mitte. Die „Retreats“ auf Bali, wo diese ausgebildet werden. Die Kundalini-Gurus, deren Video-Lehren man sich per Abo aufs iPad laden kann. All die Unternehmen, die Yogamatten, Zubehör, Klamotten herstellen oder Yoga-Workout-Apps erfinden. Die Yoga-„Influencer“, die Werbung für all diese Produkte machen.

Ich habe ja gar nichts gegen das Business, das sich aus dem Hype um Yoga ergibt. Im Gegenteil, ich bin absolut empfänglich für alle Maßnahmen, die mehr Fitness und ein glücklicheres Leben versprechen. Nur hat Yoga, zumindest in der westlichen Gesellschaft, wirklich wenig mit der Abkehr von materiellen Werten zu tun.

Natürlich weiß ich, wie die Yogalehrerin ihre Anti-Konsum-Ansprache ungefähr gemeint hat. Nämlich so, wie der katholische Pfarrer im Weihnachtsgottesdienst stets davon redet, dass man das wahre Weihnachtswunder über die Geschenke nicht vergessen dürfe. Man redet davon, weil es zum weltanschaulichen Ideal gehört, nicht unbedingt zur Realität.

Das ist ja das Prinzip von Religion: Die Schäfchen sollen sich immer ein bisschen schlechter fühlen als die Hirten. Nur kann ich, wenn ich über meine Unzulänglichkeiten als Mensch sinnieren will, auch bei der Religion bleiben, für die ich eh schon Kirchensteuer bezahle.

Wenn ich hingegen zum Yoga gehe, will ich, dass mir jemand zeigt, wie ich meinen Bürostuhl-geplagten Rücken entlasten kann. Was ich nicht will: mich für meinen First-World-Status schämen müssen. Nicht, wenn vor dem Kursraum die Regale mit Paleo-Riegeln (drei Euro), Schaumrollen (20 Euro) und Bambusshirts (50 Euro) vollgestopft sind – weil darauf spekuliert wird, dass sich die Yoga-Suchties den ganzen Quatsch schon kaufen werden, weil man damit ja „was Gutes“ für die Gesundheit tut. Nein, wirklich nicht.



WELT.de


achtsamkeit - selbsterfahrung - zu meiner zeit fuhr die/der von ihren/seinen betuchten eltern gut mit knete ausgestattete sannyasin nach poona zum bhagwan, um sich dort je nach budget oft jahrelang in diesen techniken der achtsamkeit und des yoga und kundalini im weitesten sinne ausbilden zu lassen - und wurde auch mit unangenehmen fragen konfrontiert und traktiert, die aber die persönlichkeit aber sowas von stärken sollten ...

viele kamen dann zurück - und machten discos auf, gaben yoga-unterricht oder waren in naturkost-ketten tätig - manche aber ließen sich als psycho-therapeut nieder - natürlich mit einigen "weltlichen" abschlüssen und diplomen und therapieerlaubenden heilpraktiker(psych)-prüfungen dazu ...

die selbsterfahrungsgruppengröße hier im inneren des landes ging damals von vielleicht 6 bis 12 interessierten - aber nicht mehr ... - und mit den heutigen "rudel-achtsamkeits-ankratz-schnupperkursen" war das nicht zu vergleichen...

und heute ist auch scheinbar vielmehr mehr "lametta" - früher gab es zwischendrin gespräch und aussprache - und tatsächliche "selbst-erfahrung" im dialog mit dem "guru" und den anderen teilnehmern in der runde - und immer rasch von allen ein feedback auf das eigene verhalten ... und auf die eingebrachten persönlichen themen ...

aber die frage bleibt - damals wie heute -: 
  • was war zuerst: das huhn oder das ei - bzw. 
  • manch blindes huhn fand auch nen korn - und heute 
  • ist das eierlegen am wichtigsten - denn die kleinen "hähnchen" werden sofort vergast bzw. geschreddert ...



ab durch die mitte - aber wir werden uns noch nach ihr sehnen ...

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Kommentar 
Angela Merkels Ausstieg

Von GEORG LÖWISCH
Chefredakteur taz

Jahrgang 1974, schreibt gerne über Parteien und Personen, Machtfragen und Merkel, Debatten und Demokratie. Hat seit 2005 über alle Bundestagswahlen und etliche Landtagswahlen berichtet. Kommentare, Interviews, Porträts.

AP | SPIEGEL Nr. 40 v. 29.9.2018




Wir werden uns noch nach ihr sehnen.


Unerwartet und mit Haltung hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Ausstieg aus der Politik angekündigt. Ganz großes Finale.
Wir werden uns noch nach ihr sehnen.


tagesspiegel

Sie hat es geschafft. Angela Merkel steigt aus. Unerwartet hat sie es angekündigt, ein Coup am Montagmorgen. Und als sie es in Berlin verkündet, da sieht sie glücklich aus, sie lächelt gelöst. Ab und zu macht sie eine Pause, sie wirkt sogar aufgeregt, als wäre sie gerade erst Frauenministerin in Bonn geworden. Als ginge sie jetzt mit jedem Satz ein Jahr zurück zu dem Punkt, bevor sie ins Leben als Machtmensch einstieg.

Angela Merkel ist ab diesem Montag Geschichte. Im realpolitisch brutalen Sinne. Aber auch im Sinne eines historischen Ausstiegs aus eigener Kraft. Mit Haltung.

Sie würde sich bestimmt durchlavieren, hieß es. Sie würde nur gehen, wenn die Hessen ihren Verbündeten Volker Bouffier abwählen, hieß es. Einer müsse es ihr sagen: der Pattex-Kanzlerin. Jetzt ist Bouffier noch da, und niemand muss ihr was sagen. Sie gibt den CDU-Vorsitz auf und will Kanzlerin noch bis 2021 sein.

„Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren“: Ihr Entschluss kommt nicht wie Taktik im Alltagsgeschäft herüber. Dieser Moment ist stark, weil Merkel nicht wie Merkel wirkt. Es ist erst recht keine dieser Affekthandlungen der Trump-Jahre. Es ist fast die Hausnummer eines Roosevelts: Entscheidungen so treffen, dass sie Maxime sein können.

Merkel betrachtet Fall Merkel

Auf ihrer Pressekonferenz vor Berlins versammelten Kanzlerbeobachtern hat sie sich selbst in die Rolle der Beobachterin begeben: Wie muss ich es organisieren, dass ich nicht vom Hof gejagt werde? Wie kann ich den Übergang als Phase innerparteilicher Demokratie aufziehen?

Sie sagt selbst, dass es ein Wagnis ist, Parteiamt und Kanzlerschaft zu trennen. Sie sieht den Lame-duck-Faktor, denkt aber, dass es klappen kann. Sie erzählt einfach so, dass sie sich alles schon vor der Sommerpause überlegt habe. Wusste Annegret Kramp-Karrenbauer denn nichts? Da sagt sie in uckermärkischer Umstandslosigkeit, in solchen Situation erzähle man lieber nichts.




sinedi|art
ANGELA MERKEL
„Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren“

Angela Merkel betrachtet den Fall Angela Merkel. Das ist großes Kino, das keiner der Männer in diesem Amt je hinbekommen hat.

Es ist die Haltung, in der Merkel Ende der Neunziger der Fotografin Herlinde Koelbl ein Interview gab: als eine Frau, die sich kannte. Den Satz, dass sie nicht ein halbtotes Wrack sein wolle, sondern den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg finden, hauten ihr ihre Gegner gern um die Ohren. Gegen die Bitternis der Merkel-muss-weg-Gemeinde setzt sie diesen entspannten Abgang.

Kaum beachtet wurde bisher im Übrigen, wie Merkel den Satz in Koelbls Interviewbuch damals beendet hat: Sie wolle sich „nach einer Phase der Langeweile etwas anderes einfallen lassen“, sagte sie vor fast genau 20 Jahren. Dass sie bei der nächsten Wahl auch nicht mehr für den Bundestag kandidieren will und auch ein Amt in Brüssel ausgeschlossen hat, passt dazu praktisch perfekt.

Jetzt können Spahn und Kramp-Karrenbauer, ja sogar der Polit-Oldie Merz zeigen, was sie können. Und was sie nicht können. Wir werden uns noch nach ihr sehnen.

taz



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diesen taz-kommentar zum rückzug von angela merkel musste ich einfach so übernehmen - hier für dieses blog.

seit 9 jahren schreibe ich hier und/oder hecke meine bildkommentare aus - auch im guten, doch meist im bitterbösen über frau merkel - und ich war bestimmt nicht immer fair ihr gegenüber.

aber jetzt erfüllt mich doch mehr traurigkeit und beginnende wehmut als etwa triumph. gerade in den letzten monaten, als der pöbel brüllte: "die merkel muss weg!", da habe ich etwas von ihrer eigentlichen unersetzbarkeit gespürt - gerade in dieser global populismusgeschwängerten zeit - mit welchem gleichmut sie diesem rufmord widerstand - und bei erdogan- und orbán- und trump-besuchen und jetzt beim vierergespräch um des lieben friedens willen in syrien - mit welch stoischer ruhe und souveränität sie ihre frau stand - und nun ihren abgang inszeniert...

insofern stimme ich mit dem kommentar von taz-chefredakteur georg löwisch hundertpro überein: wir werden uns noch nach ihr sehnen!

besonders wenn ich die jetzt gehandelten männlichen nachfolge-kandidaten betrachte: das sauerländisch-listig grinsende black-rock-treuhand-fondvermittlungs-"frettchen" sowie den in weiteren 18 aufsichtsräten hockenden millionenschweren friedrich merz, der mit notorisch abgesenkten blick fast niemandem frei in die augen schauen kann - und den wackeren münsterländer ehemaligen pharmalobbyisten und ehemaligen start-up-steuer-software-entwickler jens spahn - und dann - wollen wir wetten? - im falle der kanzlerschaft eines dieser beiden wird der paderborner linnemann minister - ich tippe mal auf das innenministerium ...: und dann haben wir die richtige truppe beisammen: ja - wir werden uns noch nach ihr sehnen: besonders dann, wenn der letzte baum im hambacher forst gefällt ist - und die ersten akw's für viel steuergeld wieder angeschmissen werden - oder sich der schlagbaum am niederländischen grenzübergang "de poppe" kurz vor enschede senkt zur passkontrolle ... - "die schaffen das!" ...

ende mai 2018 stand in der "welt" folgender absatz:
Merkel habe Obama gesagt, sie fühle sich nach Trumps Wahl nun noch mehr verpflichtet, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, um die liberale internationale Ordnung zu verteidigen. Als Obama und Merkel nach einem letzten Treffen seiner Amtszeit auseinandergingen, habe Merkel eine Träne im Auge gehabt, erinnert sich Ben Rhodes, enger Vertrauter von Obama. „Sie ist nun ganz allein“, hat Obama damals ihm gegenüber angemerkt. (click)


themenbeitrag zu yad vashem

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THEMEN-BEITRAG ZUR HOLOCAUST-GEDENKSTÄTTE YAD VASHEM IN ISRAEL
→→CLICK HERE

Orit Noiman ist 41 und leitende Archivarin des Projekts „Gathering the Fragments“. Sie stellt sicher, dass die Geschichten der Holocaust-Opfer weitererzählt werden. Sie sichtet persönlich die Zeitzeugnisse und trägt dabei Baumwollhandschuhe, damit die Stücke nicht beschädigt werden - Quelle: Axel Springer Brand Studio/Eyal Warshavsky

* Am 1. November 2005 - heute vor 13 Jahren - erklärte die Vollversammlung der Vereinten Nationen den 27. Januar zum internationalen Holocaustgedenktag.

20 Jahre Bundesbeauftragte für Kultur & Medien | Die Bedeutung der Kultur in Deutschland

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eins wird betont: es war anfangs nicht einfach einen staatsminister als "bundesbeuftragten für kunst & medien" entgegen bzw. neben den bundesländern zu etablieren. 

"kultur" ist doch verbriefte ländersache - und genauso löcherig sieht dann der flickenteppich der kulturellen landschaft auch aus. für populistische besserwisser und kulturvandalen ist es deshalb aus den landtagen heraus - in die sie ja nun flächendeckend eingezogen sind - ein leichtes, diese "vielfalt" auseinanderzudividieren - und gelder nach gutdünken zu lenken - denn "kultur" bekommt man ja nicht "for nothing" - das ist ein investitionsgut - aber eben gut angelegt und für unsere demokratie überlebenswichtig ...

da hatte der damalige kanzler gerhard schröder eine gute idee, eine quasi übergeordnete instanz zu schaffen, die dieser länder-kultur-vielfalt eine unverbrüchliche klammer gibt, die besonders auch immer wieder mit dem vermächtnis der mütter und väter unseres grundgesetzes abgeglichen wird ...

so konnten die schlimmsten ausreißer gestoppt werden - und einhalt geboten werden, wenn es opportun erschien.

gerade auch die erinnerungs- und gedenk-"kultur" an holocaust und ns-'euthanasie'-opfer ist hier als unverbrüchliche "bundesaufgabe" und ethische "verpflichtung" zu nennen.

und zumindest für diesen teil der nachkriegskultur zollt man deutschland anerkennung in der welt.

zur zeit müssen wir aufpassen, dass rechts-populistische strömungen diesen guten ruf nicht versauen: "nachtijall ick hör dir trapsen" ...

es ist nicht alles "cool" was glänzt ...

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"Coolest Monkey in the Jungle" war die Aufschrift auf dem Kapuzenshirt, das ein schwarzer Junge trug. Das Motiv wurde im Januar dieses Jahres im Onlineshop der Modekette H & M veröffentlicht und löste einen weltweiten Shitstorm aus. Die Aktie des schwedischen Konzerns fiel, in Südafrika stürmten entrüstete Kunden die Filialen. H & M ernannte daraufhin die taiwanesische und in New York aufgewachsene Juristin Annie Wu, 41, zur "Global Leader for Diversity and Inclusiveness". SPIEGEL
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jedes kind muss seinen namen haben: "global leader for diversity und inclusiveness" - die "weltweite leiterin für vielfalt und inklusion" - oder so ähnlich - so würde wohl dieser neue jetzt aber nach dem bohei mit viel promoting und pr von h & m ins leben gerufene posten ins deutsche übersetzt heißen.

mich erinnert das an den alten spruch: "und wenn du nicht mehr weiter weißt - dann gründe einen arbeitskreis" ...

es ist doch traurig, dass in einer "globalen" welt - sogar in einem weltweit operierenden unternehmen - die kulturelle und xenomorphe vielfalt in bezug auf aussehen und körperlichem habitus von einer "beauftragten", einer "leiterin", von haus aus juristin, jetzt zentral neu angestoßen und überwacht werden muss.

mich erinnert das an die "landesbehindertenbeauftragte" (kurz: "lbb" - bzw. lang: "beauftragte der landesregierung für menschen mit behinderung sowie für patientinnen und patienten") oder an eine "gleichstellungsstelle" ...

in elternhaus, kita und schule sollte die persönliche kompetenz ganz selbstverständlich so umfassend heran- und ausgebildet sein, damit all diese "'sonder'stellen"und "global leader"überflüssig werden. 

bei kindern ist da nämlich auch gar kein "fremdeln" vorhanden bei multikulti-begegnungen oder beim miteinander mit anderen kindern, egal welcher haar- und hautfarbe, welchen geschlechts und sonstigen "orientierungen" oder handicaps - das wird erst über die eltern, erzieher und lehrer vermittelt, die dann bewusst oder unbewusst auf "ihre" verengte sicht einer globalen gesellschaft vorbereiten und diese dann übertragen, in der es flüchtlingscamp und rassistische problematiken gibt, in denen über "leitkulturen" geschwafelt wird, und wo menschen mit behinderungen als "minderwertig" gebrandmarkt werden, weil ihre leistungs- und bildungsfähigkeit nicht den "braven" und "gesellschaftlich erwarteten" anforderungen entspricht, die dieser "globale markt" von ihnen erwartet, damit sie zu gebrauchen - zu verwerten - sind - und in denen sich papa und meist auch mama jeden tag neu zu bewähren haben ... 

im gegenteil - all diese "leader" und gleichberechtigungs-stellen frieren diese gesellschaftsunterschiede erst mit ein, indem sie sie in verordnungen und anschließend auf ihrem türschild benennen und beschreiben.

ein kapuzenjacken-aufdruck: "der coolste affe im dschungel" müsste sich doch mit ein bisschen gefühl für moral und anstand von selbst verbieten - und diese jacke einem kleinen afrikanischen model überzustreifen, ist doch völlig daneben...

das ist mindestens genauso "unmöglich", als wenn böhmermann sich nach dem besuch eines apostrophierten bekennenden "jüdischen" mit-comedian sich erst einmal die hände desinfiziert, weil er den berührt hat: aber: desto größer das tabu, umso besser - und billiger - die "pointe" ...

benehmen ist nicht nur glücksache - und auf ein wenig rest-"moral" darf man ruhig zurückgreifen und aufbauen.




  • kinder jedenfalls muss man daran erinnern, sich vorm essen die hände zu waschen - egal mit wem sie im sandkasten gebuddelt haben - und vielleicht scheint da auch die bedeutung des jesu-ausspruchs durch: "werdet wie die kinder, denn ihnen gehört das himmelreich" ... - was ein tibetisches sprichwort so ausdrückt: "kinder sind unsere lehrmeister im gegenwärtigsein. wenn wir aufmerksam sind, erinnern sie uns an vergessene welten des unbeschwerten seins im 'hier und jetzt'" ...

also bleibt in dieser hinsicht wie die kinder, besonders im "globalen" umgang mit anderen menschen: ebenso selbstverständlich und ohne jede ressentiments - ihr müsst euch da nicht "verbilden" - besonders wenn die umstände rundum verdächtig nach "blut & boden" riechen ...




die süßesten früchte fressen nur die großen tiere ...taz v. 03.10

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KITTIHAWK | taz v. 03.11.2018, S.10

morning in autumn

eine große sache: 20 jahre bundes-kultur

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Eine große Sache

Warum die Politik die Kultur braucht. Eine Rede zum Jubiläum der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur. 

Von Volker Weidermann | SPIEGEL

Autor Grass, Kanzler Brandt 1971: Vor Melancholie und Verzagtheit warnen - nach GERT SCHÜTZ / AKG-IMAGES

Was der Politik oft fehlt, ist der Blick in eine Zukunft, nach der jeweils nächsten Wahl. Deswegen ist es wichtig, dass sich Kulturfuzzis in die Politik einmischen.

Kaum wa­ren die Ein­la­dun­gen für die­sen Abend in die Welt ver­schickt, klin­gel­te mein Te­le­fon. Jür­gen Flimm war dran. Er lese so­eben, rief er auf­ge­räumt in den Ap­pa­rat, dass ich auf die­ser Fest­lich­keit ein paar Wor­te sa­gen sol­le. Das sei ja sehr schön. Aber – ob ich denn auch die Sa­che mit der Wie­se wis­se? Die müs­se ich un­be­dingt er­wäh­nen. Ich, so: »Wie­se ...?« – »Jaaaaa, das weiß näm­lich kei­ner!«, so der freund­li­che Herr Flimm und fing auch schon an: »Das war vor mehr als 20 Jah­ren. Wir sa­ßen auf der Wie­se vom Man­fred Bis­sin­ger – der Gerd Schrö­der war da, Os­kar Negt, Ma­ri­us Mül­ler-Wes­tern­ha­gen, Uwe-Kars­ten Heye, Gün­ter Grass und ich. Und da ha­ben wir ihm das ein­ge­quas­selt.« – »Was jetzt – ein­ge­quas­selt?« – »Na dem Schrö­der. Die Sa­che mit dem Mi­nis­te­ri­um. Grass war in Hoch­form ge­we­sen.« Und schließ­lich habe Schrö­der Ja ge­sagt. Und als er dann aber so­gleich und auf der Wie­se Flimm selbst zum Schat­ten­mi­nis­ter er­nen­nen woll­te, habe der ent­setzt ab­ge­winkt. »Ich bin doch nicht ver­rückt«, so Flimm heu­te über Flimm da­mals. Sie ha­ben dann über­legt, wer ver­rückt ge­nug sein könn­te – und rie­fen Mi­cha­el Nau­mann in New York an. Und Flimm sagt jetzt am Te­le­fon über die Wie­se da­mals und die Fol­gen: »Das war das letz­te Mal, dass wir Kul­tur­fuz­zis aus uns selbst so 'ne gro­ße Sa­che ge­macht ha­ben.«

Das letz­te Mal ...

Ich möch­te heu­te über die vor­letz­ten Male spre­chen. Ich möch­te über Ver­rück­te re­den. Über Kul­tur­fuz­zis. Und über gro­ße Sa­chen. Ich möch­te über Li­te­ra­tur re­den und dar­über, war­um die Po­li­tik sie braucht. War­um wir Er­zäh­lun­gen brau­chen. Vor­aus­leuch­ten­des. Mög­lich­keits­räu­me. Al­ter­na­ti­ven. Die Er­wei­te­rung der Welt. Mit an­de­ren Wor­ten: Ich möch­te über Bay­ern re­den.

»Wir Bay­ern sind der Sa­men ei­ner neu­en Welt«, hat­te der baye­ri­sche Mi­nis­ter­prä­si­dent ge­sagt. Und sei­nem Volk zu­ge­ru­fen: »Alle, die rei­nen Her­zens, kla­ren Geis­tes und fes­ten Wil­lens sind, sind be­ru­fen, am neu­en Wer­ke mit­zu­ar­bei­ten. Ver­ges­sen wir, was war, und ver­trau­en wir dem, was wird. Eine neue Zeit­rech­nung be­ginnt.«

Das ist 100 Jah­re her. Kurt Eis­ner hat­te sich in der Nacht vom 7. auf den 8. No­vem­ber 1918 auf den frei­en Stuhl des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten von Bay­ern ge­setzt und sich von dem mit­ge­lau­fe­nen Teil des Vol­kes, das auf den Ab­ge­ord­ne­ten­stüh­len Platz ge­nom­men hat­te, per Ak­kla­ma­ti­on ins Amt wäh­len las­sen. Der Kö­nig von Bay­ern hat­te in der­sel­ben Nacht still und heim­lich sei­ne Re­si­denz und die Stadt ver­las­sen. Die Macht lag auf der Stra­ße. Der Schrift­stel­ler, Jour­na­list, Po­li­ti­ker Kurt Eis­ner hat sie auf­ge­ho­ben.


Mi­nis­ter­prä­si­dent Eis­ner 1918: Sa­men ei­ner neu­en Welt


Er woll­te ei­nen ra­di­ka­len Neu­an­fang. Der Krieg war ver­lo­ren. Der Frie­den muss­te ge­won­nen wer­den. »Wir grü­ßen, die un­se­re Fein­de wa­ren«, rief er bei der Re­vo­lu­ti­ons­fei­er im Münch­ner Na­tio­nal­thea­ter den Men­schen zu. Der Dich­ter und Schwär­mer und un­ab­hän­gi­ge So­zi­al­de­mo­krat Eis­ner woll­te eine hel­le, an­de­re Welt. Die völ­li­ge Zer­stö­rung des für die Ewig­keit ge­bau­ten Al­ten barg für ihn die Chan­ce ei­nes to­ta­len Neu­an­fangs. Wenn wir jetzt schon die De­mo­kra­tie ein­füh­ren, war­um nicht gleich in ih­rer ra­di­kals­ten Form? »Wir wol­len die stän­di­ge Mit­ar­beit al­ler Schaf­fen­den in Stadt und Land«, rief er sei­nen Bay­ern zu. Er wünsch­te sich per­ma­nen­te Par­ti­zi­pa­ti­on. Das Ge­spräch al­ler mit al­len. Kom­mu­ni­ka­ti­ves Han­deln. Die bes­te Lö­sung ent­steht, so war er si­cher, wenn wir mit­ein­an­der re­den.

Eis­ner muss­te das al­les nicht neu er­fin­den. Er hat sein Re­gie­rungs­pro­gramm in der Li­te­ra­tur ge­fun­den, in den Kon­zert­sä­len ge­hört. Bei Goe­the, Höl­der­lin, Shake­speare, Schil­ler und Walt Whit­man ge­le­sen, bei Beet­ho­ven ge­hört. Frei­heit, Men­schen­freund­lich­keit, Ei­nig­keit, Hel­lig­keit. Bru­no Wal­ter hat­te die Leo­no­ren-Ou­ver­tü­re di­ri­giert, in je­nem No­vem­ber in Mün­chen. Und Mi­nis­ter­prä­si­dent Eis­ner in­ter­pre­tier­te so­gleich: »Das Kunst­werk, das wir eben ge­hört, schafft in pro­phe­ti­scher Vor­aus­sicht die Wirk­lich­keit, die wir eben er­lebt.« Beet­ho­ven, ein bay­ri­scher Rä­te­re­vo­lu­tio­när. Ob er das ge­ahnt hat?

Aber manch­mal hat das Le­ben ein­fach et­was mit dir vor. Manch­mal ver­selbst­stän­digt sich ein Text, ein Ge­dicht oder der Dich­ter selbst. Der wel­ten­fer­ne Ster­nen­dich­ter Rai­ner Ma­ria Ril­ke hät­te viel­leicht auch noch we­ni­ge Wo­chen zu­vor nicht da­mit ge­rech­net, dass er – von En­thu­si­as­mus, Auf­bruchs­lust, Er­neue­rungs­fu­ror und Zu­hö­r­er­freu­de ge­trie­ben – kei­ne re­vo­lu­tio­nä­re Ver­samm­lung in den Münch­ner Bier­kel­lern je­ner Tage ver­pas­sen wür­de. Dass er mit­ge­ris­sen wer­den könn­te von – Po­li­tik! »Die Kunst ist die Ver­spre­che­rin der über­nächs­ten Zu­kunft«, schrieb er. Und am hells­ten und frei­es­ten leuch­tet ihr Ver­spre­chen, wenn der Künst­ler selbst, beim Schrei­ben, Kom­po­nie­ren, Ma­len, gar nichts da­von ahnt.

Es geht um die Welt, die noch nicht ist. Es geht dar­um, nicht zu kla­gen, sich in sich selbst zu­rück­zu­zie­hen, über­all Un­ter­gang zu se­hen, ge­reizt zu sein, hä­misch, die Welt an­zu­kla­gen, weil sie nicht in dei­nem Sin­ne ein­ge­rich­tet ist, son­dern im­mer nur im Sin­ne der an­de­ren, der Fal­schen.

Es geht auch heu­te dar­um, die rich­ti­gen Bü­cher zu le­sen und zu schrei­ben. Sich nicht in die­se ver­lo­cken­de Dun­kel­heit hin­ab­zie­hen zu las­sen. An die gu­ten Tra­di­tio­nen zu er­in­nern. Die Hoff­nun­gen und Auf­brü­che. Viel zu viel wird auch in die­sem Jahr an das vor hun­dert Jah­ren er­schie­ne­ne Un­heils­buch »Der Un­ter­gang des Abend­lan­des« von Os­wald Speng­ler er­in­nert, der so lan­ge und in­ten­siv und mit aus­schließ­lich auf das Ne­ga­ti­ve ge­rich­te­tem Blick den Nie­der­gang der west­li­chen Kul­tur be­schrieb, dass ihm und sei­nen Le­sern am Ende »ein neu­er Cä­sar« als Er­lö­sung er­schei­nen muss­te. Wie we­nig da­ge­gen re­den wir von dem Ge­gen­buch, das auch vor hun­dert Jah­ren er­schie­nen ist, Ernst Blochs »Geist der Uto­pie«. Die­ses fa­mo­se Er­mu­ti­gungs­buch, das aus der Dun­kel­heit der Zeit ein­fach ei­nen Auf­ruf an sich und sei­ne Le­ser form­te: »Ich bin schul­dig, nicht die an­de­ren und wenn sie dun­kel sind, so habe ich ih­nen nicht ge­nug ge­leuch­tet.«

Oh, er wäre auch ein gu­tes Ka­bi­netts­mit­glied in Eis­ners Traum­re­gie­rung ge­we­sen. Aber das Un­heil von da­mals hät­te wohl auch er nicht ver­hin­dern kön­nen. Den Hohn und Spott und Hass, den Eis­ner ern­te­te. Und schließ­lich die­ses Wahl­er­geb­nis, das viel­leicht selbst ei­nen am­tie­ren­den baye­ri­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten von heu­te zum Rück­tritt be­wegt hät­te: 2,5 Pro­zent der Stim­men wa­ren auf den selbst er­nann­ten Volks­tri­bu­nen Kurt Eis­ner und sei­ne Par­tei ent­fal­len. Will­kom­men in der Wirk­lich­keit! Das war wirk­lich ein De­sas­ter der dich­te­ri­schen Po­li­tik.
Es geht darum, an die guten Traditionen zu erinnern. Die Hoffnungen und Aufbrüche.
Aber als er dann kurz dar­auf er­schos­sen wur­de und ihn Mün­chen im Tode plötz­lich zu lie­ben schien und die gan­ze Stadt ihn zu Gra­be trug, da schrieb Hein­rich Mann über das un­ter­ge­gan­ge­ne Re­gime der Dich­ter: »Die hun­dert Tage der Re­gie­rung Eis­ner ha­ben mehr Ide­en, mehr Freu­den der Ver­nunft, mehr Be­le­bung der Geis­ter ge­bracht als die fünf­zig Jah­re vor­her.«

Sie ka­men zu früh, sie wa­ren die Ers­ten, sie hat­ten kei­ne Blau­pau­se für ihre Ex­pe­ri­men­te au­ßer­halb der Kunst, sie mach­ten tau­send Feh­ler – auch die Uto­pis­ten un­ter dem herr­li­chen Ernst Tol­ler, die bald auf die Eis­ner-Re­gie­rung folg­ten. Ja. Aber sie ha­ben die Geis­ter be­lebt. Sie hat­ten Mut zu neu­en Ide­en. Sie kann­ten die »Freu­den der Ver­nunft«. Sie leuch­ten uns, wie alle gro­ße Kunst, bis heu­te vor­an.

Und wir ha­ben vie­le Jah­re spä­ter in die­sem Land die Kraft der ein­grei­fen­den, der vor­aus­dich­ten­den Li­te­ra­tur er­lebt. Man muss sich den Brief­wech­sel ein­mal an­schau­en, den der ehe­ma­li­ge Emi­grant Wil­ly Brandt und der Schrift­stel­ler Gün­ter Grass mit­ein­an­der führ­ten. Wie der Au­tor sei­nen Kanz­ler an die Hand – man kann auch sa­gen: in Gei­sel­haft – nimmt, vor Me­lan­cho­lie und Ver­zagt­heit warnt, hier die Rede zur Lage der Na­ti­on vor­for­mu­liert, dort die Ka­bi­netts­lis­te der ers­ten so­zi­al­li­be­ra­len Re­gie­rung ent­wirft, un­lieb­sa­me Mi­nis­ter streicht. Wie er dann ent­setzt fest­stel­len muss, dass ihm ein Kul­tur­staats­amt, wie er es sich da­mals für sich selbst wünsch­te, vom fri­schen Kanz­ler Wil­ly ein­fach ver­wei­gert wird – der sei­nem Dich­ter statt­des­sen an­bot, ihn im Na­men der Bun­des­re­gie­rung in »deut­sche Sied­lungs­ge­bie­te in La­tein­ame­ri­ka« und zu kul­tu­rell in­ter­es­sier­ten Aus­wan­de­rern in Aus­tra­li­en zu schi­cken. »Das wie­der­um«, schrieb ein kon­ster­nier­ter Grass zu­rück, habe für ihn »das Be­klem­men­de ei­nes Alb­traums«. Er hat­te wohl be­merkt, dass sich der frisch ge­wähl­te Kanz­ler et­was Luft ver­schaf­fen woll­te, von die­sem Dich­ter, der ihn ge­ka­pert hat­te.

Aber er ließ sich nicht ab­schüt­teln, und auch das le­sen wir in den Brie­fen der bei­den, wie Gün­ter Grass sei­nen Kanz­ler zu der viel­leicht wich­tigs­ten sym­bo­li­schen Ges­te an­stif­te­te, die ein deut­scher Re­gie­rungs­chef in der Nach­kriegs­zeit un­ter­nom­men hat. Die das neue, hel­le Deutsch­land für alle Welt sicht­bar mach­te: dem Knie­fall von War­schau. »Es wäre«, schreibt Grass sei­nem Kanz­ler vor des­sen Be­such in der pol­ni­schen Haupt­stadt, »ein nicht wie­der­gut­zu­ma­chen­der Feh­ler, wenn die Un­ter­zeich­nung des Ver­tra­ges in üb­li­cher Glät­te und in­ner­halb des ge­wohn­ten Pro­to­kolls von­stat­ten­gin­ge.«

Als der Kanz­ler dann vor dem Mahn­mal des Get­to-Auf­stands nie­der­sinkt, ist Grass, der mit­ge­reist ist, er­schüt­tert wie alle. Er hat­te nur die An­re­gung für eine gro­ße Ges­te ge­ge­ben. Die Ges­te selbst war Wil­ly Brandts ur­ei­ge­ne. Aber Grass weiß auch, dass man ein Sym­bol mit Le­ben, mit ei­ner Er­zäh­lung, fül­len muss – und so schreibt er kurz nach dem Be­such wie­der an sei­nen Kanz­ler, dass für den Fall, dass die­ser »mit ein­fa­chen Wor­ten über den Sinn sei­nes Knie­falls zu spre­chen be­reit wäre« –, er hier schon mal »in Stich­wor­ten ei­nen Ent­wurf« mit­schi­cke: die Er­zäh­lung von Schuld und Reue ei­nes Lan­des. Brandt nahm dank­bar an – und muss­te das dich­te­risch Vor­for­mu­lier­te nur noch aus­spre­chen.

Von der Spreng­kraft des Dich­te­ri­schen er­zählt auch eine ganz an­de­re Ge­schich­te, von hier im Os­ten, dies­seits der Mau­er. Die Mi­nis­te­rin für Volks­bil­dung der DDR war – mit blau­em Haar und dunk­ler Ent­schlos­sen­heit – die zwei Stock­wer­ke in der Chaus­see­stra­ße 131 em­por­ge­stie­gen. Zu dem ge­fähr­lichs­ten Dich­ter des Lan­des: »Ach Wolf«, sag­te sie, »wenn du wei­ter den fal­schen Weg gehst, wer­den wir Fein­de. Aber wenn du den rich­ti­gen Weg gehst, mit uns, dann kannst du un­ser größ­ter Dich­ter wer­den.«

Wolf Bier­mann ist den Weg mit ihr, mit Mar­got Hone­cker, nicht mit­ge­gan­gen. Er ging sei­nen ei­ge­nen Weg. Ein Jahr spä­ter wur­den ihm alle Auf­trit­te ver­bo­ten. Man woll­te ihn iso­lie­ren und zum Schwei­gen brin­gen. Doch da er nicht in der Welt sin­gen konn­te, kam die Welt zu ihm. In sei­ne bald schon le­gen­dä­re Kon­zert­woh­nung in der Chaus­see­stra­ße. Und als er – zwölf Jah­re nach Mar­got Hone­ckers mah­nen­dem Be­such – für ein Kon­zert in den Wes­ten durf­te, lie­ßen sie ihn nicht wie­der zu­rück. Die Aus­bür­ge­rung des Dich­ters Wolf Bier­mann und die un­ge­heu­re So­li­da­ri­sie­rungs­wel­le mit ihm in der Zeit da­nach wa­ren der wohl ent­schei­den­de Riss im mo­ra­li­schen Fun­da­ment der DDR – Haar­riss in der Mau­er, die 13 Jah­re spä­ter stürz­te.

Die­ser Wolf Bier­mann hat vor we­ni­gen Mo­na­ten in der »New York Times« über das heu­ti­ge Deutsch­land ge­schrie­ben, über die Ge­reizt­heit, den Hass, die Ver­zagt­heit heu­te. »Die Ge­fah­ren im Streit der Welt wa­ren im­mer groß«, hat er ge­schrie­ben. »Aber die größ­te Ge­fahr ist un­se­re Mut­lo­sig­keit.« Wir brau­chen Mut, auch zum Feh­ler­ma­chen. Und der Dich­ter lobt eu­pho­risch den größ­ten Feh­ler, den sei­ne gute Freun­din, die Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel, vor drei Jah­ren ge­macht hat, als sie den Flüch­ten­den die Ein­rei­se nach Deutsch­land er­mög­lich­te: »Die­ser wun­der­ba­re Feh­ler brach­te An­ge­la Mer­kel per­sön­lich in al­ler Welt Sym­pa­thi­en ein. Ihre mu­ti­ge Ent­schei­dung hat dem An­se­hen der Deut­schen min­des­tens so ge­nützt wie nach der Na­zi­zeit das welt­weit be­wun­der­te Wirt­schafts­wun­der.«

Wenn man heu­te mit Schrift­stel­lern und Künst­lern aus der Welt über die deut­sche Re­gie­rungs­che­fin spricht, hat man fast den Ein­druck, aus de­ren Sicht wird heu­te ganz Deutsch­land von ei­ner Er­bin des gu­ten Eis­ner re­giert, von den Freu­den der Ver­nunft. Sie äu­ßern Re­spekt, Be­wun­de­rung, Hoff­nung und so et­was wie Neid.

Der ame­ri­ka­ni­sche Au­tor Dave Eg­gers, der der Welt den mit­rei­ßen­den Flücht­lings­ro­man »Weit ge­gan­gen« ge­schrie­ben hat und den be­un­ru­hi­gen­den Zu­kunfts­ro­man der to­tal ver­netz­ten Welt »The Cir­cle« und der – wenn er in die­sem Jahr nicht aus­ge­fal­len wäre – ge­wiss ein Kan­di­dat für den Li­te­ra­tur­no­bel­preis ge­we­sen wäre, sag­te mir vor we­ni­gen Ta­gen: »An­ge­la Mer­kel zählt zu den we­ni­gen Po­li­ti­kern mit ech­tem Mut und ech­ten Über­zeu­gun­gen. Ob du mit ih­rer Po­li­tik ein­ver­stan­den bist oder nicht – ihre Po­si­tio­nen ba­sie­ren auf ech­tem Glau­ben, Barm­her­zig­keit und ei­ner or­dent­li­chen Por­ti­on Furcht­lo­sig­keit. In an­de­ren Län­dern wird Re­gie­rungs­po­li­tik aus­schließ­lich nach po­li­ti­scher Be­rech­nung, Feig­heit und Frem­den­feind­lich­keit aus­ge­rich­tet. Das ist der drei­köp­fi­ge Höl­len­hund, der die Welt­po­li­tik be­herrscht.«

Und als ich vor ei­ni­gen Wo­chen ei­nen der er­folg­reichs­ten eu­ro­päi­schen Au­to­ren un­se­rer Tage, den Schwe­den Jo­nas Jo­nas­son, in Nai­ro­bi traf – am Schau­platz sei­nes neu­en Ro­mans »Der Hun­dert­jäh­ri­ge, der zu­rück­kam, um die Welt zu ret­ten«, in dem eine von ego­ma­ni­schen Dun­kel­män­nern be­herrsch­te Welt von der deut­schen Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel mit Op­ti­mis­mus, Mut und Durch­set­zungs­stär­ke ge­ret­tet wird – und ihm sag­te, dass ich die­ser Ro­man­fi­gur schon bald per­sön­lich im Rah­men ei­ner Fei­er­stun­de be­geg­nen wer­de – da lach­te er, schnapp­te sich ei­nen Stift und ein Buch und schrieb hin­ein: »Dear Chan­cel­lor Mer­kel: You are the worl­d's hope for a de­cent fu­ture. Plea­se do as I sug­gest in my book: stay steady! Best re­gards, Jo­nas Jo­nas­son.« Ich soll Ih­nen das mit­brin­gen, lie­be Frau Mer­kel, frisch aus Nai­ro­bi, als Ge­schenk und als Er­mu­ti­gung.

Wir wis­sen alle: Aus der Nähe sieht das al­les ge­ra­de et­was an­ders aus. Und hört sich et­was an­ders an. Es gibt viel Zer­ris­sen­heit in die­sem Land und Häme, Res­sen­ti­ment, Angst, Ag­gres­si­on, Hass, Sehn­sucht zu­rück in dunk­le Re­gio­nen der Ver­gan­gen­heit und ei­nen all­ge­mei­nen Un­wil­len, an­de­ren zu­zu­hö­ren.

Eine Erzählung der Zukunft, die über die jeweils nächste Wahl hinausweist.

Ich glau­be, uns fehlt heu­te das er­zäh­le­ri­sche, zu­kunfts­wei­sen­de, mit­rei­ßen­de, ei­ni­gen­de, das li­te­ra­ri­sche Mo­ment in der Po­li­tik. Eine Er­zäh­lung der Zu­kunft, die über den je­weils nächs­ten Tag, die nächs­te Wahl hin­aus­weist. Die rei­ne Abs­trak­ti­on und Re­ak­ti­on ge­nü­gen nicht, den Flieh­kräf­ten auf Dau­er Pa­ro­li zu bie­ten. Das ist nicht Traum­tän­ze­rei, son­dern po­li­ti­sche Not­wen­dig­keit.

Viel­leicht ist es kein Zu­fall, dass ein Mann, der in sei­nem vor­he­ri­gen Be­ruf Schrift­stel­ler war, ge­ra­de mit sei­ner Par­tei von Er­folg zu Er­folg eilt. In sei­nem neu­en Buch schreibt Ro­bert Ha­beck: »Es ist nicht schwer, zy­nisch, po­pu­lis­tisch und ver­bit­tert zu sein, nicht schwer zu sa­gen, was nicht geht, nicht schwer, an­de­re schlecht­zu­ma­chen. Trau­en wir uns da­ge­gen, of­fen zu blei­ben, an­greif­bar zu sein, ver­letz­lich zu sein und op­ti­mis­tisch. Das ist die wah­re Her­aus­for­de­rung: Zu­ver­sicht.«

Na­tür­lich ist die Lo­gik der Fan­ta­sie und der Kunst nicht iden­tisch mit der Lo­gik der Po­li­tik, die bru­ta­le Nie­der­wer­fung der Münch­ner Rä­te­re­pu­blik durch die Iden­ti­tä­ren von da­mals hat uns auch das schmerz­haft vor Au­gen ge­führt. Aber ohne die­se Fan­ta­sie und de­ren Hör­bar­keit wird es der so­ge­nann­ten Rea­li­tät, die ja im­mer in Be­we­gung ist, an ei­ner hu­ma­nen Rich­tung feh­len.

Mo­ni­ka Grüt­ters hat in ih­rer Trau­er­re­de auf den Dich­ter der freund­li­chen Kanz­ler­über­nah­me, auf Gün­ter Grass, ih­ren Lieb­lings­dich­ter Jean Paul zi­tie­rend ge­sagt: »Eine De­mo­kra­tie ohne ein paar Hun­dert Wi­der­sprech­künst­ler ist un­denk­bar.«

Wir brau­chen sie, die Wi­der­spruchs­künst­ler, wir brau­chen eine Li­te­ra­tur, die sich ein­mi­schen will und die Kraft dazu hat und den Wil­len, von den an­de­ren Mög­lich­kei­ten, den an­de­ren Wel­ten zu er­zäh­len. Vor­aus­schau­en, statt stän­dig die er­mü­den­den Kämp­fe von ges­tern zu kämp­fen. »Seit ei­nem Jahr be­schäf­ti­gen wir uns in viel zu ho­hem Maße da­mit, ob wir be­lei­digt sein sol­len oder nicht«, hat An­ge­la Mer­kel ge­sagt.

Also: nach vorn den Blick! Mit­rei­ßen und er­zäh­len. Der ame­ri­ka­ni­sche Au­tor Ri­chard Powers hat in sei­nem neu­en Ro­man »Die Wur­zeln des Le­bens« über die Über­zeu­gungs­kraft der Li­te­ra­tur ge­schrie­ben: »Wir kön­nen noch so gute Ar­gu­men­te ha­ben, da­mit än­dern wir die Ein­stel­lung der an­de­ren nicht. Das Ein­zi­ge, was so et­was kann, ist eine gute Ge­schich­te.«

20 Jah­re ist es her, dass »wir Kul­tur­fuz­zis eine gro­ße Sa­che« ge­macht ha­ben? Das ist wirk­lich lan­ge her. Höchs­te Zeit für neue gro­ße Sa­chen. Eine Wie­se – wird sich fin­den.

SPIEGEL-Au­tor Wei­der­mann hat die­se Rede am ver­gan­ge­nen Mon­tag in Ber­lin zum 20-jäh­ri­gen Be­ste­hen des Am­tes der Be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Me­di­en ge­hal­ten.

Der SPIEGEL 45/2018 -  


20 jahre bundes-kultur: eine rede mit historischem background. ja - es war damals eine "große sache" - an der sich ein paar große köpfe dieser republik beteiligt haben - voller elan ...

und dieser elan ist es, den wir heute vermissen: der abschied von "unser angie" - und die wahlerfolge populistischer parteien im in- und ausland, und die vermaledeite "flüchtlingspolitik" - mit der rückkehr des cdu-kandidaten merz z.b. auf der bildfläche - das alles lähmt ein wenig einen erneuten enthusiasmus nach diesen ersten 20 jahren bundes-kultur ...

bei allem revue-passieren-lassen bleibt es einem im halse stecken: denn diese uninteressierte "öffentlichkeit" hat es nicht so mit "kultur": in den meisten gazetten wird die kultur-seite erst an 6. oder 9. stelle eingeordnet - nach sport, wirtschaft, lokalem - und oft sogar erst nach dem "vermischten - aus aller welt" und nach den "börsennachrichten" - und deshalb sicherlich oftmals überblättert: also - sagen wir es ganz offen - unter "ferner liefen" ...

"kultur" wird von den meisten otto-normalverbrauchern als "luxus" wahrgenommen - außerdem als "überflüssiges geschwafel" - als "total unwichtig" - "da kann ich auch gut drauf verzichten" ...

aber die gleichen leute sehnen sich dann nach leit"kultur" und fordern diese ein - und kritisieren die derzeitige "erinnerungs-" und "gedenk-'kultur'" - und schimpfen über "multi-'kulti'" - und merken nicht, dass diese "kultur" irgendwie schon ab und an ihren alltag durchwirkt: wenn sie zum tv-kanal "arte" oder "3sat" schalten, wenn sie "dlf kultur" hören - ja sogar, wenn sie auf der südtribüne "you'll never walk alone" anstimmen ... - oder sonntags, wenn sie beispielsweise ein "welt'kultur'erbe" zum besuch mit den kindern ansteuern ...: kino, konzert, theater - der besuch in der tropfsteinhöhle oder dem stadtarchiv: alles "kultur" ...  - und der schulbesuch der kids wird maßgeblich gesteuert von der "kultusminister-konferenz" - und dem kultusministerium des jeweiligen bundeslandes ...

ich zähle das deswegen so akribisch auf, weil ich glaube, dass das vielen gar nicht bewusst ist - und die mit "kultur" nichts anzufangen wissen - und die sie gern out-sourcen wollen aus ihrem alltag: "ach - scheiß doch was auf kultur" ...




ab - durch "die mitte": ihr schafft das - ohne mutti

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AB - DURCH "DIE MITTE" ... - Karikatur: RÜRUP, WamS, Nr. 44, 04.11.2018, S. 10

entsorgt - versorgt | parallelwelten und realitätsverschiebungen

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ich habe heute zuerst im SPIEGEL das hanebüchene redemanuskript 
von maaßens rede vor dem „berner club“ in warschau gelesen:

das maaß[en] ist voll - und kann entsorgt werden - S!|art
ich möchte mich heute aus diesem Kreis nach über sechsjähriger Zugehörigkeit von Ihnen verabschieden. Manche Abschiede sind geplant, z. B. wenn der Arbeitsvertrag befristet oder wenn eine bestimmte Altersgrenze erreicht ist, wie bei unserem Freund Rob, andere Abschiede sind nicht geplant und etwas überraschend, wie bei mir. 
Die Vorsitzenden der drei Parteien, die die Bundesregierung in Deutschland bilden, Frau Merkel, CDU, Herr Seehofer, CSU, und Frau Nahles, SPD, hatten am 23. September beschlossen, dass ich als Präsident des Bundesverfassungsschutzes abgelöst werden soll. Damit ist eine Regierungskrise in Deutschland beendet worden. Die SPD hatte mit einem Bruch der Koalition gedroht, wenn ich weiter im Amt bleiben würde. 
Hintergrund der Regierungskrise war die Tatsache, dass ich am 7. September gegenüber der größten deutschen Tageszeitung "Bild-Zeitung" die Richtigkeit der von Medien und Politikern verbreiteten Berichte über rechtsextremistische "Hetzjagden" bzw. Pogrome in Chemnitz in Zweifel gezogen hatte. 
Am 26. August 2018 war ein Deutscher von Asylbewerbern in Chemnitz getötet worden. Am gleichen Tage gab es Demonstrationen in Chemnitz gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung von normalen Bürgern aber auch von Rechtsextremisten. Dabei kam es vereinzelt zu Straftaten. 
Am folgenden Tag und an den darauffolgenden Tagen stand nicht das Tötungsdelikt im politischen und medialen Interesse, sondern rechtsextremistische "Hetzjagden gegen Ausländer". Diese "Hetzjagden" hatten nach Erkenntnissen der lokalen Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Lokalpresse, des Ministerpräsidenten des Landes und meiner Mitarbeiter nicht stattgefunden. Sie waren frei erfunden. 
Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien "Hetzjagden" frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland. Ich hatte mich in der darauffolgenden Woche gegenüber der "Bild-Zeitung" in nur vier Sätzen dazu geäußert, indem ich klarstellte, dass es nach Erkenntnissen aller zuständigen Sicherheitsbehörden keine derartigen rechtsextremistischen "Hetzjagden" gab. 
Gegenüber den zuständigen Parlamentsausschüssen stellte ich in der folgenden Woche klar, dass ein Kampf gegen Rechtsextremismus es nicht rechtfertigt, rechtsextremistische Straftaten zu erfinden. Die Medien sowie grüne und linke Politiker, die sich durch mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten, forderten daraufhin meine Entlassung. Aus meiner Sicht war dies für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren. Da ich in Deutschland als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu drängen. 
Aufgrund des schon erwähnten Beschlusses der drei Parteivorsitzenden werde ich mein Amt aufgeben, sobald ein Nachfolger bestimmt ist. Dies wird voraussichtlich in den nächsten Wochen der Fall sein. Bundesinnenminister Seehofer, der mich und meine Position in dieser politischen Auseinandersetzung sehr unterstützte und dafür selbst viel Kritik von den Medien erfuhr, möchte mich als seinen Berater bei sich behalten. Ob und unter welchen Bedingungen dies stattfinden soll, wird im Einzelnen in den nächsten Wochen geklärt werden müssen. 
Jedenfalls kann ich mir auch ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen. Ich hätte nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt, dass vier Sätze von mir ausreichend sind, um eine Regierungskrise in Deutschland auszulösen. 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
es fällt mir schwer, mich nach sechs Jahren von Ihnen zu verabschieden. Ich habe diesem Kreis sehr gerne angehört und habe in allen Sitzungen und bei allen Gesprächen ein hohes Maß an Kollegialität und an Solidarität festgestellt. Ich habe festgestellt, dass wir die gleichen Ziele haben, die gleichen Werte teilen und gegen die gleichen Gegner von Freiheit und Demokratie kämpfen. Ich bin der Auffassung, dass wir in den letzten sechs Jahren viel erreicht haben. 
Viel auch für die Sicherheit meines Landes. Ich habe in den letzten Jahren viel Unterstützung von Ihnen erfahren bei der Lösung unserer nationalen Sicherheitsprobleme und ich habe mich immer bemüht, Sie auch bei Ihrer Arbeit zu unterstützen, damit Ihre Länder und Europa sicherer werden. Ich möchte Ihnen für all das danken. Danken möchte ich Ihnen auch für die vielen persönlichen und freundschaftlichen Momente, die ich erfahren durfte. Ich würde mich sehr freuen, auch nach dieser Zeit mit manch einem von Ihnen persönlich und privat in Kontakt bleiben zu können. 
Zuletzt möchte ich die Bitte äußern, dass Sie mit meinem Nachfolger die Zusammenarbeit in gleich intensiver Weise partnerschaftlich fortsetzen. 
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

dann habe ich dazu eine handvoll ebenso hanebüchene "forenbeiträge"(leserbriefe) dazu in der "WELT" gelesen, wo sich ja in letzter zeit ein refugium rechter "meinungsäußerungen" gebildet hat (lies mal diese briefe nur an - man glaubt, man sei in einer anderen "welt" ...)

und deshalb schrieb ich dazu folgenden beitrag:

Diese Parallelwelt Maaßens ist ja auch mittlerweile die Parallelwelt der allermeisten Forenschreiber hier - und in den einschlägigen Stellungnahmen in den (a)sozialen Netzwerken - aber zum Glück sind nur maximal 15 - 20 % des "Volkes" in dieser Blase mit Herrn Maaßen gefangen ... Hier "produziert" man immer gern die Mehrheit - aber "draußen im Lande" sind glücklicherweise 80 - 85 % doch (noch) realistisch "wach". Herr - lass bitte endlich wieder mehr Hirn vom Himmel regnen ...

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und dieser beitrag "erzielte" folgende "stellungnahmen"
als antwort auf den obigen beitrag:
EMEmskopp
 Sinedi, da kann man nur hoffen das es bei Ihnen reinregnet. 36 Likes

WSWolfgang S.
 Haben sie überhaupt im Ansatz verstanden um was es hier geht? 18 Likes

BRBremerin
 ... lassen Sie mal Gott aussen vor, oder fallen Ihnen keine weiteren Argumente ein?         8 Likes

SSStefan S.
 M.Schanze würde es so ausdrücken:
Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn die Zeit vergeht. 11 Likes

AGAgent Mulder
 Lassen sie uns "Hirnlose" dann doch bitte an ihrer Variante der Realität teilhaben. Wo sagt der Mann denn etwas falsches? 17 Likes

FEFeli citas
 Führen Sie doch auch endlich die anderen in der Parallelwelt gefangenen europäischen Länder in ihr seliges linkes deutsches Reich! Fangen Sie in Gesprächen am Besten mit Ihren diversen Promotionen an um Ihr "mehr Hirn" auch zu beweisen. 11 Likes

CSCarsten S.
 32,7% Nichtwähler in Hessen würden mit Abstand die größte Fraktion stellen, aber zu der von Ihnen genannten "Mehrheit" würde ich diese nicht mitzählen. 9 Likes

KDKopetzki D.
 sinedi: Weil es so viele von Ihrer Sorte gibt, werden die Partei/en, die für Maaßens Absetzung plädierten, von den Wählern so abgestraft?!?! Wer bitte sind die 85 % von den Sie träumen?!? Doch nicht die Grünen, deren medienforcierter Hype sehr bald wie eine Seifenblase platzen wird. Wir haben noch Europawahl, Wahlen im Osten, . . . Dann werden auch Sie sehen, daß WIR Viele sind! 15 Likes

MAMartine A.
 @SinediNa, dann ist doch alles gut für Sie. Beruhigen Sie sich bitte. Und lassen Sie anderen ihre Meinung. 8 Likes

ABAlexandra B.
 Leuten wie sinedi geht es nicht um die Wahrheit, nicht um Fakten und ihre Definitionen, sondern einzig nur um Verteidigung ihrer linken One-World-Ideologie um jeden Preis, und jeder Andersdenkende, der ihr Weltbild nicht teilt, wird als ein Rechstsextremer, als ein Nazi diffamiert. Der Ideologie zuliebe werden Menschen geopfert, die bei Angriffen der Migranten zu Schaden kommen. Das wird in Kauf genommen, Hauptsache die Grenzen und Sozialsysteme bleiben für Migranten offen. Die unsachlichen ideologiediktierten verbalen und tätlichen Angriffe der Linken auf Andersdenkende entlarven deren Demokratieverständnis - nämlich daß es bei ihnen gar nicht vorhanden ist. So geht Linksfaschismus. 2 Likes

Die 4 Lübecker Märtyrer - am 10.11. jährt sich zum 75. mal der Hinrichtungstag 1943

tausendstelmomente vom grölemeyer

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Der Tag ist alles außer gewöhnlich
Und leider gibt's auch kein Problem
Ich sehe mir heute verdammt ähnlich
Und irgendwie finde ich das auch schön

Es hat genau die richtige Kühle
Aus einem Guss und bewundernswert
Es ist die Stille der Gefühle
Ein lauer Sommer, der durch mich fährt
Ein lauer Sommer, der durch mich fährt

Und du denkst, dein Herz schwappt dir über
Fühlst dich vom Sentiment überschwemmt
Es sind die einzigartigen tausendstel Momente
Das ist, was man Sekundenglück nennt

An dem Tag, wenn du kommst, wird's regnen
Der Frühling in mir bricht sich die Bahn
Du wirst mit Zauber mir begegnen
Und auf Verdacht lass' ich das Licht schon mal an

Und du denkst, dein Herz schwappt dir über
Fühlst dich vom Sentiment überschwemmt
Es sind…

Warum gibt es dich? Warum singt keiner mit dir ein Lied?

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[Strophe 1]
Es gibt keinen Schmerz, nur über zwölf Runden
Es gibt keinen Gong, der dich aus deinem Kampf befreit
Auch keine Zeit heilt dir deine Wunden
Bei jedem falschen Wort reißen sie erneut
Es ist bretthart, das Glück stets hinter Gittern
Du kauerst stumm in einer Nische namens „Warum?“
Und ein Jahr hat bei dir nur vier Winter
Und jeder kleinste Windhauch bläst dich eisig um

[Refrain]
Fragst du dich auch, wenn dein Herz davonläuft
Fragst du dich auch, wenn der Boden sich verzieht
Ob du verkehrt bist, ob nur du dich bereust?
Warum gibt es dich? Warum singt keiner mit dir ein Lied?

[Strophe 2]
Warum bin ich ein anderer Mensch?
Warum fehlt mir zu mir jeglicher Bezug? (jeglicher Bezug)
Lieg' ich nur falsch auf meinen fernen Routen?
Keiner sieht meine Fahne und kein Meer spürt meinen Bug

[Refrain]
Fragst du dich auch, wenn dein Herz davonläuft
Fragst du dich auch, wenn der Boden sich verzieht
Ob du verkehrt bist, ob nur du dich bereust?
Warum gibt es dich? Warum singt keiner mit dir ein Lied?

[Outro]
Und wird der Tag meine Taten messen?
Und nimmt der Tag all meine Lügen in Kauf?
Wenn die Liebe sich traut, mich anzusprechen
Fall' ich drauf rein und schließ' mich auf?

 

eine photo|bearbeitung als "fake" und nestbeschmutzung - hin zum bröckelig-chauvinistischen größenwahn ...

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S!|art: hat sich sinedi mitten unter die amerikanischen präsidenten geschmuggelt 

In Stein gemeißeltes Denkmal: Die US-Präsidenten George Washington (v. l.), Thomas Jefferson - und dann - eingeschlichen als Fälschung, als "Laie" [kein Präsident] in das Motiv dieses erlauchten Kreises: Sinedi - des weiteren - last not least: Abraham Lincoln. 

In dieser Montage - okay - bröckelt die Basis der Herren schon ganz gewaltig - und wahrscheinlich bröckelt auch oberhalb der Basis einiges ...

→→Lies hier die Original-Geschichte dazu in "welt-edition"

[pfffhhh - immer wieder gegen die männer ...]

Copyright: Getty / WELT /S!|art(Montage)

erklärung der vielen: die kunst bleibt frei

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Kulturinstitutionen gegen Rechts



Am Freitag wird die „Erklärung der Vielen“ präsentiert. Es ist eine Kampagne gegen die rechte Instrumentalisierung von Kultur.
Die Kampagne wird parallel in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Dresden vorgestellt. 

von Brigitte Werneburg | Kulturredakteurin | taz

Mehr als 90 Berliner Kulturinstitutionen, deren Berliner und bundesweite Verbände und Organisationen haben die „Berliner Erklärung der Vielen“ gezeichnet.

Mit ihr soll der Zusammenhalt in Kunst und Kultur als Teil des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen rechtspopulistische sowie völkisch-nationale Strömungen artikuliert werden. Mit dieser Erklärung wollen sie ein gesellschaftspolitisches Signal setzen und in ihrer alltäglichen Praxis aktiv und nachhaltig für eine Haltung der Toleranz, der Vielfalt und des Respekts werben und arbeiten.

Gleiche Initiativen haben sich in Düsseldorf mit der „NRW-Erklärung der Vielen“ und in Hamburg mit der „Hamburger Erklärung der Vielen“ gebildet. Anlässlich der Veröffentlichung der Erklärung finden am Freitag an allen Standorten Pressekonferenzen statt.

Die „Erklärung der Vielen“ ist eine bundesweite Kampagne des Vereins Die Vielen e. V., die am 9. November 2018 startet und sich bundesweit in Aktionen, Veranstaltungen und Diskussionen artikulieren soll. Ziel ist es, den Austausch der Kulturinstitutionen und Aktiven in der Kulturlandschaft zu intensivieren und damit lokale und überregionale, selbst aktive Netzwerke anzuregen.

Für eine gerechte Gesellschaft

Gemeinsam werden sich die Unterzeichnenden und Unterstützer*innen mit zahlreichen weiteren Initiativen, Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung und für eine gerechte, offene und solidarische Gesellschaft einsetzen.

Es soll der Zusammenhalt 
gegen rechtspopulistische 
sowie völkisch-nationale Strömungen 
deutlich werden

click to wdr-audio
In Berlin werden Holger Bergmann vom Verein Die Vielen und Kai Uwe Peter, Vorstand der Stiftung Brandenburger Tor, die Begrüßung und Moderation der Pressekonferenz übernehmen, die in den Räumlichkeiten des Max Liebermann Hauses stattfindet. Annemie Vanackere, Intendantin des HAU (Hebbel am Ufer), Dietmar Schwarz, Intendant Deutsche Oper Berlin, Kathrin Röggla, Vizepräsidentin Akademie der Künste, Lilian Engelmann, Geschäftsführerin neue Gesellschaft für bildende Kunst e. V., Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Vorstand Deutscher Bühnenverein, Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Deutscher Kulturrat, Shermin Langhoff, Intendantin Maxim Gorki Theater und Berndt Schmidt, Intendant Friedrichstadt-Palast beteiligen sich mit kurzen Statements.

Mag man die „Erklärung der Vielen“ zunächst als rein symbolische Goodwillaktion belächeln, so ist trotzdem festzuhalten, dass damit endlich ein deutliches Zeichen gegen die von rechts angestrebte Instrumentalisierung und Ideologisierung von Kunst und Kultur gesetzt ist. Es könnte unbedachte Sprech- und Denkverbote vereinzelter Akteure erübrigen, aus Furcht, der Rechten zu viel Raum zu geben und vermeintlich ­hilflose Bürger diskursiv im Regen stehen zu lassen.

CLICK ZUR "ERKLÄRUNG DER VIELEN"
mein "virtuell-ideeler beitrag": sinedi|art: weiße zeilen auf weißem papier | poem & picture




kristallenes pogrom - oder so ähnlich ...

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9. November 1938

"Reichskristallnacht" oder "Novemberpogrom"

Ein sematischer Streit, der es in sich hat


Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als SA und SS Synagogen anzündeten, jüdische Geschäfte verwüsteten und viele Bürger ermordeten, jährt sich heute zum 80. Mal. Noch immer sind nicht alle Vorgänge jener Nacht aufgeklärt. Und um den Begriff der »Reichspogromnacht« wird (wieder) eine Debatte geführt.

So bedürfen sogar die nackten Zahlen weiterer Forschung. Dennoch hat sich diesbezüglich einiges getan: Noch vor wenigen Jahren ging man von reichsweit 91 Toten aus, womit sogar noch zum 50. Jahrestag 1988 jüdische Institutionen wie das Simon-Wiesenthal-Center der NS-Sicherheitspolizei auf den Leim gingen. Jetzt aber kommt eine neue Studie allein auf dem Territorium des heutigen NRW auf 127 ermordete Juden.

Wie  1406 andere deutsche  Synagogen  brannte am 9. November 1938 auch das jüdische Gotteshaus in Bielefeld. Es existiert dazu ein  kurzer Film, der ein paar Nachbarn  zeigt, die offenbar in Feierlaune den barbarischen Akt verfolgen. Foto: Stadtarchiv Bielefeld - nachträglich hier coloriert von sinedi


Die der Jerusalemer Organisation Beth Ashkenaz eingegliederte Synagogue Memorial zählt – sicher zu Recht – anders: Nicht nur jene jüdischen Bürger, die der Mob am 9. November unmittelbar erschoss, erstach oder ertränkte (mindestens 400), sondern auch die Selbstmorde jener Nacht sowie schließlich diejenigen, die damals ins KZ abtransportiert und dort umgebracht wurden, gehören auf die Liste der Opfer. Synagogue Memorial beziffert also die Zahl der Toten auf 1300 bis 1500.

Das alles zeigt bereits, dass am 9. November 1938 keineswegs nur das Glas der Schaufensterscheiben in fast 6000 Läden zu Bruch ging. Trotzdem kursierte damals gleich das Wort von der »Reichskristallnacht«, das erst in den 80er Jahren durch den Begriff »Reichspogromnacht« ersetzt wurde. Verdienstvoll: Das NS-Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Berlin regt jetzt endlich eine Debatte über dieses »Po­grom«-Wort an – in der Ausstellung »Kristallnacht« (bis 3. März).

Die gängige Argumentation lautet: Weil damals erstens Menschen verfolgt und getötet wurden, sei die Bezugnahme auf splitterndes Glas/Kristall unangemessen – wer von der »Reichskristallnacht« spreche, verharmlose das Ereignis. Zweitens verfalle man in diesem Fall in den Nazi-Jargon – schließlich habe Propagandaminister Goebbels die »Reichskristallnacht« erfunden.

Beides ist falsch.

Schon in Pressetexten gerät einiges durcheinander. Gestern wieder (aber nicht nur da) schreibt die Deutsche Presseagentur, Goebbels habe nach dem 9. November von einer »spontanen Welle des Volkszorns« gesprochen – nur um wenige Zeilen später zu behaupten, der Begriff »Reichskristallnacht« sei von den Nazis übernommen worden. Tatsächlich existiert nur eine einzige Tonaufnahme, in der ein NS-Funktionär das Kristall-Wort benutzt: der Düsseldorfer SS-Brigadeführer Wilhelm Börger. Dies geschah aber erst im Juni 1939, gut sieben Monate nach dem Ereignis. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Nazis eine Wortbildung der – zu Goebbels’ großem Ärger regimekritischen – Berliner übernahmen. Das vermutete schon der Sprachexperte Dolf Sternberger, der im »Wörterbuch des Unmenschen« über die Lingua Tertii Imperii informierte.

Den Sprachwitz, wie er sich im Kristall-Wort offenbart, besaß das NS-Regime gar nicht. Vor allem die Vorsilbe »Reichs-« nimmt frech die Manie auf die Schippe, alle NS-Institutionen als »reichs«- bezogen zu adeln – bis hin zum völlig ernst gemeinten Reichsvollkornbrotausschuss. Mit der im Volk verbreiteten Titulierung der in Filmen tragisch endenden Schauspielerin Kristina Söderbaum als »Reichswasserleiche« findet sich ein weiteres schönes Beispiel für den kritischen Humor von unten. So wie man offen ansprach, dass Goebbels’ Reichs(!)- filmkammer den deutschen Film gängelte, so wusste man und zeigte es auch, wer für den Terror des 9. Novembers verantwortlich war.

Noch etwas: Es gibt keine Wörter aus dem Russischen, die Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben. Ausnahme: »Der Rubel muss rollen.« Ausgerechnet für das nationalsozialistische – mitnichten russische! – Verbrechen aber soll nun das »Pogrom« (russisch für »Verwüstung«) herhalten. Das verschleiert nur die Identität des Verbrechers, und offenbar soll es das auch. In den 50er Jahren konnten sich deutsche Historiker das Grauen der zwölf furchtbaren Jahre nur als Einbruch »asiatischer« Grausamkeit in die »Hochkultur« des Deutschen erklären, eine realitätsferne Ansicht, die Ernst Nolte im Historikerstreit der 80er Jahre mit dem Diktum von der »asiatischen Tat« noch einmal wiederbelebte.

1978 forderte als Erster der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Thüsing, den 9. November 1938 fortan als »Reichspogromnacht« zu bezeichnen; seit 1988 ist diese Vorspiegelung falscher Tatsachen Standard. Die Engländer, dies nur nebenbei, bleiben bei der »crystal night«, die Franzosen bei der »nuit de crystal«, die Italiener bei der »notte dei cristalli«.

»Judenaktion« oder »spontaner Volkszorn« – das war Nazi-Vokabular. Die »Reichskristallnacht« hingegen »war eine offensichtliche Verhöhnung der Nationalsozialisten und des NS-Staates« schrieb 1988 der jüdische Historiker Michael Wolffsohn. Die Berliner Wortschöpfung habe »Widerwillen« gegen das Regime bekundet. Die Bevölkerung »zeigte leider nicht Widerstand«. Der wäre wünschenswert gewesen, doch es habe ja schon am Widerwillen gemangelt. Um so wertvoller das Beispiel Reichskristallnacht. »Das bißchen Kerzenlicht in dunkelster Zeit sollten wir nicht auch noch freiwillig nachträglich ausblasen.«

(dpa/WB/mzh) - WESTFALEN-BLATT - Nr. 260, Freitag, 9. November 2018, S. 23

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ja: deutsche sprache - schwere sprache: gerade mit den mittlerweile fast "verbrannten" begriffen aus der nazi-zeit tut man sich heutzutage schwer: das ist ja auch beispielsweise bei "euthanasie" der fall, das wort vom "glücklichen tod" und von einer humanen "sterbehilfe", das von den nazi's einfach für ihre massenmorde an kranken menschen aus der bedeutung gerissen und adaptiert und verharmlost wurde.

hier ist es nun noch etwas anders:
da wurde ein verächtlich und abwertend gemeinter ausdruck aus dem berliner milljöh für diese schreckliche nacht nachträglich zur nazibraunen amtssprache deklariert - und die beflissenen political-correctness-hochsprach-kommissare in den deutschen amtsstuben und universitäten schufen dann in den 80er jahren den begriff "reichs"- oder "november-pogromnacht" - und seitdem steht nun ein ur-russischer begriff für diese menschenverachtenden treibjagden - und jüngst auch wieder in chemnitz und bei dem ganzen bohei um herrn maaßen hat man sich gestritten, ob das nun "pogromähnliche menschenjagden" auf ausländer waren - oder eben doch (noch) nicht ...: und ab wann und unter welchen kriterien dieser ausdruck zu rechtfertigen ist - oder eben nicht ...

wir sollten uns mit diesen sprachlichen spitzfindigkeiten nicht ablenken lassen von den eigentlichen taten und den tatsächlichen wirklichkeiten "in real life": nämlich wie es ohne mails und ohne soziale internet-netzwerke 1938 möglich war in 2000 deutschen ortschaften über das ganze "reich" verteilt in einer verabredeten nacht gleichzeitig diese verwüstungen und menschenverachtenden treibjagden und morde anzuzetteln und zu begehen, zeigt schon, dass es einer aufgehetzten und gleichgeschalteten mittrottenden volksmasse bedarf, die das innerlich überzeugt mittrug und auch "tat-sächlich" ausführte - eben im schutze dieser masse und der anonymität - eine entfachte massenhysterie, die dann keine grenzen mehr kannte ...

das zeigt aber auch, wie eine solche massenbewegung im nu gelenkt und verführt werden kann - heute vielleicht noch eher und leichter als damals ...

und lese >> hier den gegenentwurf zur "massenhysterie" in spiegel-online von heute ...

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